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Die Veröffentlichung interner Dokumente im Zusammenhang mit der Jeffrey-Epstein-Affäre wirft ein grelles Licht auf alte Netzwerke und neue politische Risiken. Im Zentrum: Donald Trump, 2025 erneut im Amt, nun aber mit dem Makel, nicht nur über das System zu herrschen – sondern selbst Teil davon zu sein.

Die Affäre Epstein ist nicht neu. Der verurteilte Sexualstraftäter und mutmaßliche Menschenhändler hatte jahrzehntelang Zugang zu den höchsten gesellschaftlichen Kreisen – darunter Prinzen, Professoren, Präsidenten. Neu ist jedoch die offizielle Bestätigung: Der Name Donald J. Trump taucht immer wieder in internen Ermittlungsunterlagen auf, die im Zuge der jüngsten Untersuchungen im US-Kongress publik wurden. Zwar liegt keine Anklage vor, doch der politische Schaden ist erheblich.


Alte Bekanntschaften, neue Enthüllungen

Schon in den frühen 2000er Jahren war bekannt, dass Trump und Epstein einander kannten. Beide Männer bewegten sich im Jetset der amerikanischen Ostküste – luxuriöse Anwesen in Palm Beach, Partys mit Prominenz, ein gesellschaftlicher Stil, der Exklusivität zelebrierte und Diskretion forderte.

Die nun veröffentlichten E-Mails aus den Jahren 2011 und 2019 legen nahe, dass Epstein Trump nicht nur als flüchtigen Bekannten betrachtete, sondern als Vertrauten mit Wissen über seine Aktivitäten. So schrieb Epstein laut CBS News: „Obviously, [Trump] knew about the girls.“ Ein Satz, der, wenngleich juristisch wenig belastbar, symbolisch schwer wiegt – insbesondere für einen Präsidenten, der sich seit Jahren als Kämpfer gegen Korruption, Missbrauch und den sogenannten „deep state“ inszeniert.


Widersprüche und politische Rückzieher

Politisch heikel wird die Causa durch Trumps eigene Kehrtwenden. Noch im Sommer 2025 wies er die Forderungen nach Offenlegung der „Epstein Files“ als „Hexenjagd“ zurück, orchestriert von Demokraten und Medien. Doch unter wachsendem Druck – nicht zuletzt aus den eigenen Reihen – unterzeichnete Trump am 21. November 2025 ein Gesetz, das das Justizministerium zur Veröffentlichung der Unterlagen verpflichtet. Der Kongress hatte zuvor mit 427 zu 1 Stimme die Freigabe verlangt.

Die plötzliche Zustimmung wirkt weniger wie ein Zeichen von Transparenz, sondern vielmehr wie ein taktisches Zugeständnis. Laut ABC News war es Trumps eigener Kommunikationsstil, der ihn in diese Lage brachte: Je vehementer er die Affäre abtat, desto größer wurde das öffentliche Interesse. Für viele wirkt sein Kurswechsel wie ein Eingeständnis – nicht unbedingt von Schuld, aber von politischer Verwundbarkeit.


Vertrauensverlust in der eigenen Basis

In Trumps traditionell loyalem Wählermilieu – der MAGA-Bewegung – zeigt sich nun erstmals eine deutlich sichtbare Erosion. Der Verdacht, der Präsident könne Informationen zurückgehalten oder gar gelogen haben, trifft nicht nur auf Empörung, sondern auch auf ideologische Verstörung. Denn der Mythos vom unbestechlichen Außenseiter, der gegen das korrupte Establishment kämpft, wird durch die Epstein-Affäre konterkariert.

Wie Politico berichtet, sehen viele konservative Aktivisten Trumps Zögern als Verrat an den eigenen Prinzipien. Die Veröffentlichung – so sie denn vollständig erfolgt – könne allenfalls als Schadensbegrenzung dienen, nicht jedoch das beschädigte Image wiederherstellen. Hinzu kommt: In einer zunehmend misstrauischen Öffentlichkeit wird jede geschwärzte Passage in den Dokumenten als möglicher Beweis für Vertuschung gelesen.


Symbolischer Sprengstoff

In rein rechtlicher Hinsicht droht Trump aktuell kein Verfahren. Doch in der politischen Arena sind es selten Anklageschriften, die Karrieren beenden – es sind Bilder, Erzählungen, Wahrnehmungen. Und das Bild eines Präsidenten, dessen Name in Verbindung mit einem verurteilten Sexualstraftäter genannt wird, ist toxisch. Besonders in einem Land, das tief gespalten ist zwischen moralischem Anspruch und politischem Pragmatismus.

Zudem trifft die Affäre auf einen sensiblen Moment: Die republikanische Partei ringt um ihre Ausrichtung, 2026 finden die wichtigen Zwischenwahlen statt. Für Gegner innerhalb der Partei bietet die Affäre Munition, für progressive Kräfte außerhalb ein Symbol der Doppelmoral. Dass Epstein – ein Mann, der wie kaum ein anderer für systematischen Machtmissbrauch steht – in Trumps Umfeld auftaucht, untergräbt den moralischen Kern jenes Populismus à la Trump, der sich als Aufstand der Anständigen gegen das System inszeniert.


Ob Donald Trump durch die Epstein-Affäre juristisch belangt wird, ist derzeit fraglich. Politisch jedoch sitzt er in der Falle. Indem er lange zögerte, dann doch einlenkte und nun unter dem Druck öffentlicher Erwartung steht, hat er sich zwischen die Fronten manövriert – unfähig, glaubhaft als Aufklärer zu agieren, und zu exponiert, um als bloßer Zeuge durchzugehen.

Die Causa Epstein entwickelt sich damit zu einem Lackmustest für Trumps politisches Projekt: Ist es ein echter Aufbruch im Kampf gegen das Establishment – oder nur ein weiterer Ausdruck jener Machtzirkel, gegen die er angeblich kämpft?

Autor: P. Tiko

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