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Der jüngste Weltwirtschaftsausblick der Weltbank markiert einen ernüchternden Wendepunkt für die globale Konjunktur: Für das Jahr 2025 rechnet die Institution nur noch mit einem Wachstum von 2,3 Prozent – ein spürbarer Rückgang gegenüber den 2,8 Prozent aus dem Vorjahr. Die Ursachen sind deutlich: Protektionismus und eskalierende Handelskonflikte bremsen das Wachstum weltweit aus. Die Daten verweisen auf eine Phase erhöhter wirtschaftlicher Unsicherheit, die vor allem auf politische Entscheidungen in den führenden Volkswirtschaften zurückzuführen ist.

US-amerikanische Zollpolitik als Katalysator

Die Vereinigten Staaten erleben nach einem starken Wachstum von 2,8 Prozent im Jahr 2024 einen deutlichen Einbruch: Für 2025 erwartet die Weltbank nur noch ein Wachstum von 1,4 Prozent. Ausschlaggebend ist dabei die neue Zollpolitik der US-Regierung. Mit einem pauschalen Importzoll von zehn Prozent auf Waren aus nahezu allen Handelspartnerstaaten hat Washington eine protektionistische Kehrtwende eingeleitet. Die unmittelbaren Effekte: steigende Kosten für Konsumenten und Unternehmen, Gegenmaßnahmen betroffener Länder und eine generelle Investitionszurückhaltung.

Die Handelsunsicherheiten führen zudem zu einer Reorganisation globaler Lieferketten – ein Prozess, der kostspielig und zeitaufwendig ist. Vor allem kleinere Unternehmen leiden unter dem Volatilitätsanstieg und der damit verbundenen Planungsunsicherheit. Während der private Konsum unter Druck gerät, brechen auch Investitionen in neue Produktionsanlagen und Technologien ein.

China zwischen strukturellem Wandel und externer Belastung

Auch Chinas Wirtschaft verliert an Dynamik. Für 2025 prognostiziert die Weltbank ein Wachstum von 4,5 Prozent, nach 5 Prozent im Vorjahr. Zwar bleibt China damit ein wesentlicher globaler Wachstumsmotor, doch mehren sich die strukturellen Herausforderungen: Eine alternde Bevölkerung, stagnierende Produktivitätsgewinne und die schwächelnde Immobilienbranche setzen dem Land zu.

Hinzu kommt die Wirkung der amerikanischen Zölle, die chinesische Exporte empfindlich treffen. Trotz politischer Gegenmaßnahmen wie der Förderung des Binnenkonsums und strategischer Industriepolitik bleibt der Spielraum begrenzt. Chinas Führung steht vor der Herausforderung, wirtschaftliche Stabilität mit geopolitischer Konfrontation zu vereinbaren – ein Balanceakt mit ungewissem Ausgang.

Die Eurozone im Schatten der Unsicherheit

Noch drastischer fällt die Entwicklung in der Eurozone aus: Für die 20 Länder des Euroraums erwartet die Weltbank lediglich ein Wachstum von 0,7 Prozent im Jahr 2025. Bereits 2024 lag das Plus nur bei 0,9 Prozent. Die europäische Exportwirtschaft leidet unter den amerikanischen Zöllen, insbesondere in der Automobil- und Maschinenbaubranche. Gleichzeitig belasten politische Unwägbarkeiten – von den Beziehungen zu China bis zu anhaltenden Haushaltsstreitigkeiten innerhalb der EU – das Investitionsklima.

Infolge dieser Entwicklungen setzt sich eine bereits länger anhaltende Phase der wirtschaftlichen Stagnation fort. Während Länder wie Deutschland und Italien weiterhin mit Industrieschwäche und einer alternden Bevölkerung kämpfen, fehlt es auf gesamteuropäischer Ebene an einer abgestimmten wirtschaftspolitischen Antwort auf die globalen Herausforderungen.

Indien trotzt dem Trend, mit Einschränkungen

Indien bleibt mit einem prognostizierten Wachstum von 6,3 Prozent im Jahr 2025 die am schnellsten wachsende große Volkswirtschaft. Allerdings stellt auch dieser Wert eine Abkühlung gegenüber den 6,5 Prozent des Vorjahres dar. Trotz robuster Binnennachfrage und massiver staatlicher Infrastrukturinvestitionen ist Indien nicht immun gegenüber den globalen Handelsverwerfungen.

Vor allem der Rückgang bei ausländischen Direktinvestitionen und eine nachlassende Exportdynamik dämpfen das Potenzial. Dennoch zeigt sich Indiens Wirtschaft bemerkenswert resilient – auch dank einer diversifizierten Wirtschaftsstruktur und zunehmender Digitalisierung.

Weltweiter Investitionsstau und gebremster Handel

Besonders alarmierend ist der Rückgang des globalen Handelswachstums: Die Weltbank erwartet für 2025 nur noch einen Zuwachs von 1,8 Prozent – nach 3,4 Prozent im Vorjahr. Dieser Rückgang illustriert die globale Abkehr von multilateralen Handelsbeziehungen und markiert einen Wendepunkt für die Weltwirtschaft seit den liberalisierenden Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg.

Der Investitionsstau in Folge politischer Unsicherheit betrifft sowohl entwickelte als auch aufstrebende Volkswirtschaften. Internationale Unternehmen zögern bei Standortentscheidungen, während neue Handelsabkommen ausbleiben oder gar revidiert werden. Das Risiko einer „verlorenen Dekade“ für den globalen Handel ist damit real.

Ruf nach Kooperation bleibt weitgehend ungehört

Die Weltbank warnt in ihrem Bericht eindringlich vor den langfristigen Folgen der aktuellen Entwicklung. Ohne eine Kehrtwende in der Handelspolitik drohen eine verstetigte wirtschaftliche Stagnation und ein Anstieg globaler Armut. Gefordert wird eine Rückkehr zur multilateralen Kooperation, eine konsolidierte Haushaltspolitik und ein globaler Fokus auf die Schaffung produktiver Arbeitsplätze.

Tatsächlich aber zeigen sich bislang kaum politische Bewegungen in diese Richtung. Nationale Alleingänge dominieren das wirtschaftspolitische Geschehen. Während protektionistische Maßnahmen innenpolitisch häufig Zustimmung erfahren, zahlen Konsumenten und internationale Akteure die Rechnung – in Form von höheren Preisen, Lieferengpässen und sinkenden Wachstumsraten.

Es bleibt fraglich, ob die Erkenntnisse aus der jüngsten Prognose der Weltbank zu einem politischen Umdenken führen. Der gegenwärtige Kurs deutet vielmehr auf eine weitere Erosion des freien Welthandels hin – mit ungewissen Folgen für Wohlstand und Stabilität im globalen Maßstab.

Autor: P.T.

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