Der Himmel über Südfrankreich zieht sich zusammen, und das nicht nur sprichwörtlich. Ab Sonntagabend gelten für die Départements Ardèche, Gard und Lozère gleich zwei Warnstufen von Météo-France: „orages violents“ – schwere Gewitter – sowie im Gard und in der Ardèche zusätzlich die Alarmstufe „pluie-inondation“, also Regen mit Hochwassergefahr. Die Unwetter sollen gegen 22 Uhr einsetzen, in der Nacht eskalieren und mindestens bis Montagvormittag anhalten.
Wer schon einmal in der Region eine solche „épisode méditerranéen“ erlebt hat, weiß, was das bedeutet. Innerhalb kürzester Zeit entladen sich wolkenbruchartige Regenfälle, Straßen verwandeln sich in Sturzbäche, kleinere Flüsse treten über die Ufer – und der Alltag kommt abrupt zum Stillstand.
Ein klassisches Mittelmeer-Phänomen
Météo-France spricht von einer „épisode méditerranéen“. Diese Wetterlage ist typisch für den Spätsommer und Herbst im Süden Frankreichs. Warme, feuchte Luftmassen vom Mittelmeer stoßen auf kühlere Strömungen aus dem Norden. Die Folge: explosionsartige Gewitter mit extremen Niederschlagsmengen. Innerhalb weniger Stunden fallen dabei oft so viele Liter Regen pro Quadratmeter wie sonst in mehreren Wochen.
Die Meteorologen erwarten „très fortes intensités pluvieuses“, also Regenfälle von enormer Stärke, begleitet von Blitz und Donner, lokal auch Hagel und starke Windböen. Für Montagvormittag, 10 Uhr, ist vorerst das Ende der Warnung angesetzt – doch eine Verlängerung und Ausweitung auf weitere Départements sei „nicht ausgeschlossen“, heißt es. Vor allem östlich angrenzende Regionen könnten einbezogen werden.
Ausweitung in der Nacht
Ab Mitternacht weitet sich die Warnung auf drei weitere Départements aus: Drôme, Vaucluse sowie die Bouches-du-Rhône, also den Großraum Marseille. Auch hier geht es nicht nur um Starkregen, sondern auch um die Gefahr von kurzfristigen Überflutungen. Gerade die dicht besiedelten Gebiete entlang der Rhône und im Süden bei Avignon oder Aix-en-Provence sind besonders anfällig, wenn die Kanäle und Flüsse den Wassermassen nicht standhalten.
Ein meteorologisches Detail macht die Lage heikel: Solche Gewitterzellen bleiben oft länger über einem Ort hängen, weil die Luftschichten kaum Bewegung zulassen. Statt schnell über eine Region hinwegzuziehen, entladen sie sich über Stunden an ein und demselben Ort. Für die betroffenen Bewohner kann das irgendwann binnen Minuten zur Katastrophe führen.
Gefahr für Alltag und Infrastruktur
Für die Bevölkerung bedeutet die Warnstufe Orange: höchste Vorsicht. Autofahrten sollten nach Möglichkeit vermieden werden, insbesondere auf Landstraßen, wo Schlammlawinen und überschwemmte Fahrbahnen häufig auftreten. Auch Campingplätze entlang von Flüssen sind gefährdet. Wer dort übernachtet, sollte sich frühzeitig informieren und notfalls umquartieren.
Einsatzkräfte und Kommunen haben längst ihre Hochwasserschutzpläne aktiviert. Erfahrungsgemäß häufen sich in solchen Nächten Notrufe wegen vollgelaufener Keller, umgestürzter Bäume oder blockierter Straßen. Und immer wieder kommt es vor, dass Menschen die Kraft des Wassers unterschätzen – ein riskanter Fehler. Schon 30 Zentimeter reißender Wasserfluss können ein Auto von der Fahrbahn schieben.
Erinnerungen an frühere Unwetter
Die Region hat bittere Erfahrung mit solchen Wetterlagen. Im Gard etwa kam es in den vergangenen Jahren mehrfach zu dramatischen Überschwemmungen, bei denen ganze Dörfer abgeschnitten waren. Auch die Ardèche ist bekannt für ihre schnell ansteigenden Flüsse, die nach Starkregen in Schluchten zu gefährlichen Strömen anschwellen.
Die Meteorologen appellieren daher an die Bevölkerung, die Warnungen ernst zu nehmen und sich nicht in trügerischer Sicherheit zu wiegen. Denn was am Nachmittag noch wie ein idyllischer Spätsommertag wirkt, kann sich am Abend in ein Szenario verwandeln, das man sonst eher aus Katastrophenfilmen kennt.
Wie geht es weiter?
Ob sich die Unwetter am Montagmorgen tatsächlich beruhigen oder ob die Warnung verlängert werden muss, bleibt abzuwarten. Sicher ist nur: Der Mittelmeerraum steht am Ende des Sommers immer wieder unter dem Einfluss dieser unberechenbaren Wetterlagen. Experten warnen zudem, dass die Intensität solcher Episoden durch den Klimawandel zunehmen wird – wärmere Luft speichert mehr Feuchtigkeit, die sich dann in extremeren Regenfällen entlädt.
Die Nacht von Sonntag auf Montag dürfte also für viele Menschen in Südfrankreich unruhig werden. Während Urlauber vielleicht mit Sorge den Himmel beobachten, stehen für Einsatzkräfte und Gemeinden Stunden voller Anspannung bevor. Und am Montagmorgen wird sich zeigen, ob die Region mit einem Schrecken davongekommen ist – oder ob sie erneut die Folgen eines mediterranen Unwetters bewältigen muss.
Von C. Hatty
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