Tag & Nacht




In Washington herrscht Aufregung, nachdem bekannt wurde, dass ranghohe Vertreter der Trump-Regierung ihre Pläne zur Bombardierung von Zielen im Jemen über einen kommerziellen Messenger-Dienst ausgetauscht haben. Der Chefredakteur des Magazins The Atlantic, Jeffrey Goldberg, wurde versehentlich in den Signal-Chat eingeladen und veröffentlichte anschließend einen Bericht, der die politische Agenda in der US-Hauptstadt dominiert – einschließlich einer Anhörung im Kongress.

Demokratische Abgeordnete verurteilten die Sorglosigkeit, mit der Mitglieder des Kabinetts – darunter der Vizepräsident, der Verteidigungsminister, der Außenminister, die Direktorin der nationalen Nachrichtendienste, der CIA-Chef sowie der Nationale Sicherheitsberater des Weißen Hauses – sensible Informationen über militärische Einsätze gegen die Huthis in einem ungeschützten Kanal ausgetauscht hatten.

Im Zentrum der Debatte stehen nun die Frage nach der Angemessenheit und Ethik dieses Vorgehens. Es scheint, als seien in der Unterhaltung möglicherweise klassifizierte Informationen weitergegeben worden. Während demokratische Politiker Rücktritte fordern, wiegeln Regierungsvertreter den Vorfall ab. Sie behaupten, es seien keine Geheimdaten geteilt worden – eine Aussage, deren Wahrheitsgehalt fraglich erscheint, sollte das vollständige Transkript veröffentlicht werden. Stattdessen betont das Weiße Haus, es habe sich um eine differenzierte Diskussion über den Nutzen einer erfolgreichen Militäroperation gehandelt.

Die US-Angriffe, die am 15. März begannen und seither in regelmäßigem Rhythmus fortgesetzt wurden, seien laut offizieller Darstellung eine Reaktion auf Angriffe der Huthis auf Schiffe im Roten Meer. Die Huthis, die große Teile des vom Bürgerkrieg zerrissenen Jemens kontrollieren, stehen in loser Allianz mit dem Iran und begründen ihre Aktionen als Widerstand gegen Israels Vorgehen im Gazastreifen. Bereits unter Präsident Biden hatte es gezielte Luftschläge gegen die Huthis gegeben, die allerdings kaum abschreckende Wirkung zeigten.

Im Gruppenchat äußerte Vizepräsident JD Vance Bedenken hinsichtlich einer tieferen Verwicklung der USA in einen weiteren Konflikt im Nahen Osten. Letztlich überließ er jedoch die Entscheidung dem Verteidigungsminister Pete Hegseth. Dieser skizzierte auch die mediale Vermittlung der Angriffe: „1) Biden ist gescheitert & 2) Iran finanziert“ – mit anderen Worten: Die Operation sollte innenpolitisch ausgeschlachtet werden, während außenpolitisch der Druck auf Teheran erhöht werden sollte.

Außenminister Marco Rubio erklärte kürzlich im Fernsehen: „Wir tun der ganzen Welt einen Gefallen, wenn wir diese Leute und ihre Fähigkeit, den globalen Schiffsverkehr anzugreifen, ausschalten. Das ist unser Auftrag – und der wird erfüllt.“

Die Realität ist komplexer, spielt jedoch in den aktuellen politischen Auseinandersetzungen kaum eine Rolle. Seit über zwanzig Jahren fliegen die USA Luftschläge im Jemen – zunächst gegen al-Qaida, später zur Unterstützung regionaler Aktionen gegen die Huthis.

Vor einem Jahrzehnt begann eine von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten geführte Koalition einen Krieg gegen die Huthis. Trotz massiver Bombardements, einer See- und Luftblockade und großer humanitärer Not entstand daraus lediglich ein fragiler Pattzustand. Der Süden des Yemen wird heute von pro-saudischen Kräften kontrolliert, der Norden von den Huthis. Im März 2022 einigten sich die Konfliktparteien auf einen brüchigen Waffenstillstand.

Über die konkreten Folgen der aktuellen US-Angriffe ist bislang wenig bekannt. Lokale Stellen berichten von Dutzenden Toten in dicht besiedelten Gebieten. Michael Waltz, der Nationale Sicherheitsberater, erklärte am Wochenende, die USA hätten zentrale Führungsstrukturen der Huthis ausgeschaltet – darunter Hauptquartiere, Kommunikationszentren, Waffenfabriken und Drohnenproduktionsstätten auf See.

Trotzdem bezweifeln viele Experten, dass Luftschläge die Huthis nachhaltig besiegen können. Laut Sicherheitsexperten haben die Huthis über Jahre gelernt, wie sie ihre Ressourcen und Strukturen schützen können. Eine völlige Zerschlagung der Organisation scheint ohne Bodentruppen kaum erreichbar – doch dazu fehlt der politische Wille, sowohl in Washington als auch in Riad und Abu Dhabi. Die lokale Anti-Huthi-Allianz leidet zudem unter internen Spannungen und mangelnder Legitimation.

Ein anhaltender Luftkrieg birgt zusätzliche Risiken. Zivile Opfer und großflächige Zerstörung könnten den Huthis in die Hände spielen, indem sie neue Unterstützer mobilisieren. Ohne ein umfassendes Konzept, das etwa auch Waffenschmuggel aus dem Iran unterbindet und die sozioökonomischen Ursachen des Konflikts adressiert, droht sich das Leiden der jemenitischen Bevölkerung weiter zu verschärfen.

Dieses Leiden ist bereits jetzt dramatisch: Große Teile der zivilen Infrastruktur sind zerstört. Schulen und Krankenhäuser liegen in Trümmern. Die wirtschaftliche Lage hat eine Versorgungskrise ausgelöst, in der selbst Grundbedürfnisse wie Wasser, Nahrung und medizinische Hilfe für viele unbezahlbar geworden sind. Rund 17 Millionen Menschen – fast die Hälfte der Bevölkerung – sind von Hunger bedroht.

Die Entscheidung der Trump-Regierung, die Huthis erneut als ausländische Terrororganisation einzustufen, hat die Arbeit humanitärer Organisationen weiter erschwert. Überweisungen von im Ausland lebenden Jemeniten an ihre Familien sind stark rückläufig. Auch die Huthis selbst behindern Hilfsmaßnahmen und nehmen Mitarbeiter internationaler Organisationen fest.

„Die Menschen im Jemen haben das Recht, in Sicherheit zu leben, Zugang zu Wasser, Nahrung und medizinischer Versorgung zu haben – und die Chance auf eine friedliche Zukunft“, heißt es vonseiten internationaler Hilfsorganisationen. „Das vergangene Jahrzehnt war verheerend. Ohne entschlossenes Handeln von Regierungen und der Weltgemeinschaft drohen die tödlichen Konsequenzen weiter zu eskalieren.“

Von Andreas Brucker

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