Tag & Nacht




Frankreich, das Land des Weins, der Croissants und der weiten Felder, sieht sich einer Bedrohung gegenüber, die tief in die Erde greift: Wassermangel. Und nicht nur das. Der Klimawandel, längst keine ferne Theorie mehr, setzt den Landwirten zwischen Atlantik und Alpen doppelt zu. Dürre, Hitze, Wetterextreme – und mittendrin Menschen, die ihr Leben der Landwirtschaft verschrieben haben.

Was passiert, wenn Regen ausbleibt, die Böden rissig werden und Felder verdorren?

Willkommen in der Dürre-Realität

Die Sommermonate sind mittlerweile keine Jahreszeit mehr – sie fühlen sich an wie ein Überlebenskampf. Der Sommer 2022 markierte einen traurigen Rekord: die heftigste Dürre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Mehr als 100 Gemeinden mussten ihr Trinkwasser per Lkw bekommen. Der Mais? Verbrannt. Der Weizen? Mager. Die Ernte? Teilweise um ein Drittel eingebrochen.

In Regionen wie der Provence, Okzitanien oder dem Loire-Tal ist es besonders schlimm. Die Böden? Hart wie Beton. Die Hoffnung? Oft nur symbolisch – wie in Perpignan, wo Landwirte eine Regenprozession veranstalteten. Was verzweifelt klingt, war in Wahrheit ein stiller Aufschrei: Seht her, wir können nicht mehr.

Kampf um jeden Tropfen

Wasser ist Leben – aber eben auch Streitpunkt. Die Landwirtschaft nutzt etwa 58 Prozent der französischen Wasserressourcen. In Zeiten der Knappheit sorgt das für Spannungen: Städte, Umweltschützer und Bauern ringen um dasselbe Gut. Wer bekommt wie viel? Und wer entscheidet?

Ein Reizthema sind die sogenannten „Mégabassines“ – künstliche Wasserreservoirs, die riesige Mengen Wasser speichern sollen. Die einen sehen darin eine Überlebensstrategie, die anderen eine ökologische Katastrophe. In Sainte-Soline gipfelte der Konflikt im Frühjahr 2023 in massiven Protesten. Wasser, so zeigt sich, kann politisch explosiver sein als Öl.

Der Staat reagiert – aber reicht das?

Die Regierung hat den Ernst der Lage erkannt. Im März 2023 präsentierte Präsident Macron einen „Plan Eau“ mit 53 Maßnahmen. Wasserleitungen sollen modernisiert, Grauwasser besser genutzt und ein spezieller „Wasserwetterbericht“ eingeführt werden. Eine gestaffelte Preisgestaltung soll den sparsamen Umgang fördern – wer viel nutzt, zahlt mehr.

Doch mit Bürokratie allein wird kein Feld bewässert. Bis 2050 könnten bis zu 14 Prozent der französischen Wasserressourcen verloren gehen. Und das sind keine Prognosen für ferne Generationen – das betrifft uns jetzt.

Technik rettet den Acker?

Die französischen Landwirte sind nicht untätig. Immer mehr setzen auf Innovationen: Tröpfchenbewässerung statt Sprinkler, dürretolerante Pflanzen statt empfindlicher Sorten, digitale Sensoren statt Bauchgefühl. Smart Farming ist mehr als ein Modewort – es ist ein Rettungsanker.

In Montpellier etwa wird Agroforstwirtschaft ausprobiert: Zwischen Obstbäumen, Sträuchern und Getreide entstehen Mikroklimata, die den Boden kühlen und die Verdunstung bremsen. Eine Rückkehr zur Natur mit technischem Feinschliff – klingt nach Zukunft, oder?

Und trotzdem: Die meisten kleinen Betriebe stemmen solche Umstellungen kaum aus eigener Kraft. Wer fünf Kühe und zwei Traktoren hat, kann sich kein Hightech leisten. Viele Bauern fordern finanzielle Hilfen – nicht als Almosen, sondern als Investition in die Ernährungssicherheit Europas.

Tradition trifft Transformation

Die Landwirtschaft steckt in einem gigantischen Umbruch. Alte Gewissheiten bröckeln, neue Wege müssen gefunden werden. Doch das braucht mehr als Technik. Es braucht Mut zur Veränderung – und einen gesellschaftlichen Schulterschluss.

Was, wenn nicht nur Bauern, sondern auch Konsumenten umdenken? Weniger Wasserverschwendung, andere Ernährungsgewohnheiten, bewusster Konsum – alles kleine Stellschrauben, die zusammen Großes bewirken können.

Denn eines ist klar: Die Landwirtschaft ist keine isolierte Branche. Sie ist ein Spiegel unserer Lebensweise – und ein Frühwarnsystem für kommende Krisen.

Wer trägt die Last?

Ein Satz aus einem Interview mit einem Landwirt aus dem Limousin geht mir nicht mehr aus dem Kopf: „Wir schuften und verzweifeln, während andere sich über Gartenbewässerung streiten.“ Treffender kann man es kaum sagen.

Die Klimakrise ist ungerecht – sie trifft jene zuerst und am härtesten, die am wenigsten dazu beigetragen haben. Bäuerinnen und Bauern, deren Arbeit buchstäblich vom Wetter abhängt, stehen an der Frontlinie. Sie riskieren nicht nur ihre Existenz, sondern auch unsere Ernährung.

Deshalb ist der Umbau der Landwirtschaft auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Wer sich nachhaltige Systeme wünscht, muss sie auch finanzieren. Und wer von der Vielfalt französischer Produkte profitiert, sollte bereit sein, dafür Verantwortung zu übernehmen.

Wege aus der Krise

Frankreichs Landwirtschaft steckt fest – zwischen Dürre und Flut, zwischen Tradition und Technik, zwischen gesellschaftlichen Erwartungen und politischer Realität.

Doch Stillstand ist keine Option.

Was wäre, wenn wir diese Krise als Chance begreifen? Als Impuls für neue Solidarität, für echte Innovationen, für ein nachhaltiges Miteinander?

Denn eines steht fest: Ohne Wasser wächst nichts. Und ohne Bauern auch nicht.

Autor: Andreas M. Brucker

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