Die Straßen von Villeurbanne, einem eigentlich lebendigen und multikulturellen Vorort von Lyon, geraten zunehmend in den Schatten von Hass und Intoleranz. Am Freitag, dem 11. April 2025, ereignete sich ein weiterer antisemitischer Angriff – der mittlerweile dritte binnen eines Monats. Es war kein Einzelfall. Es ist ein Alarmsignal.
Ein Mann, sichtbar als Jude zu erkennen durch seine Halskette mit dem Davidstern, wurde von zwei Männern angegriffen. Während einer der Täter ihm mit voller Wucht ins Gesicht schlug und ihn mit antisemitischen Beleidigungen überzog, filmte der andere die Szene mit seinem Handy – offenbar mit der Absicht, die Demütigung zu verbreiten. Eine abscheuliche Inszenierung des Hasses im digitalen Zeitalter.
Ein Angriff auf eine Einzelperson – ein Angriff auf alle
Präfektin Fabienne Buccio fand klare Worte. Sie nannte die Tat „inakzeptabel“ und betonte ihre Entschlossenheit, gegen Antisemitismus vorzugehen. Doch Worte allein reichen längst nicht mehr. Die jüdische Gemeinschaft fragt sich inzwischen: Bin ich auf der Straße noch sicher? Oder besser gefragt – wie viele Angriffe braucht es, bis gehandelt wird?
Bereits im März wurden eine Frau und ein weiterer Mann in Villeurbanne auf ähnliche Weise attackiert. Ein besorgniserregender Trend – keine Ausrutscher. Diese Vorfälle zeichnen das Bild eines Klimas, das kälter wird, feindlicher, gefährlicher.
Polizei unter Druck
Die örtlichen Behörden haben eine Untersuchung eingeleitet. Die Täter sollen schnell identifiziert und zur Rechenschaft gezogen werden. Doch die Bevölkerung erwartet mehr als Ermittlungen – sie fordert Schutz. Präsenz. Prävention. Und ein deutliches Zeichen gegen den zunehmenden Antisemitismus.
Wer mit einem Davidstern unterwegs ist, sollte keine Angst haben müssen, deshalb attackiert zu werden. Punkt. Wenn dieser Grundsatz nicht mehr gilt, ist mehr als nur eine rote Linie überschritten worden.
Zwischen Betroffenheit und bitterer Realität
Antisemitismus in Frankreich ist kein neues Phänomen – aber in seiner gegenwärtigen Form zunehmend aggressiv, digitalisiert und schamlos. Das Filmen solcher Taten ist mehr als eine Dokumentation – es ist Teil der Demütigung, der psychologischen Gewalt. Täter wollen nicht nur verletzen, sondern auch bloßstellen, entmenschlichen.
Viele erinnern sich an frühere Jahre, in denen jüdische Einrichtungen, Schulen oder Synagogen unter Polizeischutz standen. Dass Einzelpersonen auf offener Straße wieder zu Zielscheiben werden, lässt Erinnerungen an dunkle Kapitel der Geschichte aufkommen – Kapitel, von denen man hoffte, sie nie wieder aufschlagen zu müssen.
Was jetzt zählt
Die wiederholten Angriffe zeigen: Hier geht es nicht mehr um Einzelfälle, sondern um ein gesellschaftliches Klima, das dringend einer klaren Antwort bedarf. Bildung, Aufklärung, Dialog – ja, alles wichtig. Aber ebenso wichtig sind konkrete Schutzmaßnahmen, eine stärkere Präsenz der Polizei und vor allem: Null Toleranz gegenüber jeder Form von Hasskriminalität.
Auch die Justiz ist gefragt. Die Täter solcher Angriffe müssen schnell und konsequent zur Rechenschaft gezogen werden – nicht nur zum Schutz der Opfer, sondern als Signal an potenzielle Nachahmer.
Hoffnung auf Wandel
Trotz der bedrückenden Nachrichten gibt es sie – die vielen Menschen, die sich solidarisch zeigen. Nachbarn, Freunde, Passanten, die nicht wegsehen. Ihre Stimmen sind jetzt gefragt. Denn Antisemitismus betrifft nicht nur Juden – er trifft uns alle in unserem gesellschaftlichen Fundament.
Wird dieser Angriff das Fass zum Überlaufen bringen – oder doch nur ein weiterer Eintrag auf der langen Liste des Hasses bleiben?
Von Andreas M. B.
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