Tag & Nacht




In der Bretagne, wo das Meer nicht nur Sehnsuchtsort, sondern auch bedrohlicher Gegner ist, zeigt sich der Klimawandel von seiner erbarmungslosesten Seite. Die Gemeinde Treffiagat im Finistère steht derzeit vor einer drastischen Entscheidung: Sie lässt sieben Häuser abreißen – weil das Meer sie sich sonst holt.

Ein Ort am Rand – wortwörtlich

Treffiagat liegt idyllisch im südlichen Pays Bigouden. Doch Idylle allein schützt nicht vor Naturgewalten. Die Gemeinde ist mittlerweile als „rote Zone“ klassifiziert – das bedeutet: höchste Gefährdung durch Meeresüberschwemmungen. Und das ist keine abstrakte Gefahrenlage, sondern bitterer Alltag. Die Stürme Ciaran im November 2023 und Herminia im Januar 2024 haben brutal deutlich gemacht, wie wenig Land noch zwischen der Küste und dem Atlantik übrig ist.

Was einmal ein Wohngebiet war, grenzt heute fast direkt ans Wasser. Die Fundamente bröckeln, die Dünen geben nach – und mit ihnen die Vorstellung, dass man der Natur dauerhaft etwas entreißen kann.

Wenn die Entscheidung keine ist

Was tun, wenn Häuser nicht mehr sicher sind, obwohl Menschen noch darin wohnen? Die Kommune entschied sich, die betroffenen Immobilien aufzukaufen und abzureißen. Ein Schritt, der nicht leichtfällt – aber überfällig ist. Stéphane Le Doaré, Präsident der lokalen Gebietskörperschaft, bringt es auf den Punkt: „Das Meer ist stärker als wir.“

Ein nüchterner Satz, der gleichzeitig alles sagt. Es geht nicht mehr darum, mit Schutzmauern und Sandaufschüttungen zu retten, was längst verloren ist. Es geht darum, Leben zu schützen, nicht Gebäude.

Kein Einzelfall, sondern Vorbote

Treffiagat steht sinnbildlich für das, was in vielen französischen Küstenregionen droht – oder bereits Realität ist. Das Zentrum für Umweltstudien CEREMA warnt: Bis zum Jahr 2100 könnten durch Küstenerosion in Frankreich mehr als 500.000 Hektar Land betroffen sein. In diesen Gebieten leben heute rund 450.000 Menschen.

Vor allem Korsika, das Departement Var und die Pyrenäen-Atlantiques sind stark gefährdet. Dort verschwinden Strände, ganze Dünenlandschaften und Häuserreihen. Manchmal sieht man das Fortschreiten mit bloßem Auge – von Jahr zu Jahr.

Wohin mit der Hoffnung?

Natürlich stellt sich die Frage: Kann man sich anpassen? Oder muss man irgendwann kapitulieren? Einfache Antworten gibt es nicht. Klar ist nur: Ohne ein Umdenken in der Raumplanung, ohne mutige Investitionen in nachhaltige Bauweisen und ohne breite Aufklärung wird die Zahl der verlorenen Häuser – und Schicksale – steigen.

Treffiagat zeigt, wie entscheidend es ist, lokal und früh zu handeln. Was hier geschieht, sollte andernorts Warnung genug sein. Denn das Wasser wartet nicht auf politische Prozesse oder lange Gutachten – es kommt einfach.

Und jetzt?

Für die Menschen in Treffiagat ist der Verlust real. Ihre Häuser, ihre Erinnerungen, ihre Lebensgeschichten verschwinden. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass Naturgewalten keine Rücksicht auf Besitz nehmen.

Aber vielleicht auch: ein neuer Anfang. Ein Weg, das Zusammenleben mit der Natur neu zu denken – nicht gegen, sondern mit ihr.

Denn am Ende fragt man sich: Wenn das Meer einmal das Land zurückgewinnt – was bleibt uns dann?

Von Daniel Ivers

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