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Am 1. Oktober 2025 trat in den Vereinigten Staaten erneut ein sogenannter Shutdown in Kraft – ein teilweiser Stillstand der Bundesverwaltung, verursacht durch das Ausbleiben fristgerechter Haushaltsbeschlüsse. Was in anderen Demokratien undenkbar erscheint, ist in Washington längst politische Routine. Doch diesmal ist die Situation besonders zugespitzt – nicht nur wegen des Haushaltsstreits im Kongress, sondern auch durch das Vorgehen der Exekutive selbst: Präsident Trump hat in seiner zweiten Amtszeit eine rigide Sparpolitik durchgesetzt, Mittel eingefroren und den Staatsapparat massiv verschlankt. Kritiker sprechen von gezielter Sabotage. Die Lage offenbart strukturelle Schwächen der amerikanischen Haushaltsführung – und wird zum Schauplatz eines Machtkampfes zwischen Legislative und Exekutive.

Ein Haushalt ohne Legitimation

In den frühen Morgenstunden des 1. Oktober verstrich die Frist zur Verabschiedung des Bundeshaushalts für das Fiskaljahr 2026 – ohne Ergebnis. Damit beginnt ein Shutdown: Bundesbehörden müssen ihre Arbeit einstellen, nicht lebenswichtige Programme werden eingefroren, hunderttausende Angestellte gehen in unbezahlten Zwangsurlaub. Lediglich sicherheitsrelevante und gesetzlich besonders geschützte Bereiche – etwa das Militär, Sozialleistungen wie Social Security und Medicare – bleiben zunächst funktionsfähig.

Dass „der Regierung das Geld ausgeht“, ist jedoch eine rhetorische Zuspitzung. Der Bundeshaushalt wird in den USA jährlich vom Kongress bewilligt. Ohne diese Appropriations darf die Regierung keine neuen finanziellen Verpflichtungen eingehen. Bereits zugesagte oder vertraglich gebundene Ausgaben können jedoch oft fortgeführt werden – zumindest kurzfristig.

Doch genau hier liegt das Problem: Mit dem Ausbleiben der Bewilligungen fehlt der Regierung die rechtliche Grundlage für wesentliche Ausgaben. Nicht ein tatsächlicher Mangel an Mitteln ist die Ursache, sondern eine institutionell erzwungene Blockade. Die Regierung wird handlungsunfähig, weil ihr der Gesetzgeber keine Ausgabenerlaubnis erteilt – ein wiederkehrendes Muster amerikanischer Innenpolitik.

Ein Präsident auf Sparkurs

Neu ist in diesem Jahr jedoch das aggressive Vorgehen der Exekutive selbst. Schon Monate vor dem Shutdown begann die Trump-Regierung, einzelne Ausgaben zurückzuhalten oder Mittelzuweisungen pauschal einzufrieren. Ein internes Memo der Budgetbehörde OMB verfügte zeitweise die Aussetzung fast aller Bundeszuschüsse („grants und loans“) – ein Schritt, der rechtlich umstritten ist und teils gerichtlich kassiert wurde.

Gleichzeitig wurden im Zuge einer „Effizienzoffensive“ weitreichende Kürzungen vorgenommen. Mit der Gründung einer neuen Behörde – dem Department of Government Efficiency (DOGE) – setzte die Regierung gezielt auf Kostenreduktion durch Stellenabbau, die Streichung von Forschungsprogrammen und die Umstrukturierung bestehender Verwaltungsapparate. Laut Berichten in den US-Medien kam es zu „mass layoffs“, also Massenentlassungen im öffentlichen Dienst. Infrastrukturausgaben, Wissenschaftsförderung und Umweltprogramme wurden in vielen Fällen gestoppt oder zurückgefahren.

All dies reiht sich ein in ein politisches Narrativ: Donald Trump hat seine zweite Amtszeit unter das Motto „America First – Again“ gestellt. Dazu zählt auch ein ideologisch motivierter Staatsumbau, der auf Deregulierung, Dezentralisierung und Sparsamkeit setzt. Doch der Versuch, damit Druck auf den Kongress auszuüben, geht über die bloße Haushaltsführung hinaus – er wird Teil eines umfassenden Machtkampfes.

Die politische Geometrie der Blockade

Der amerikanische Haushaltsprozess ist ein Paradebeispiel für die Checks and Balances der US-Verfassung – aber zugleich auch für ihre Verwundbarkeit. Der Präsident darf keine Ausgaben tätigen, die nicht ausdrücklich vom Kongress genehmigt wurden. Umgekehrt kann der Kongress zwar Mittel bewilligen, doch ohne die Unterschrift des Präsidenten treten sie nicht in Kraft. In Zeiten politischer Polarisierung wird dieser Mechanismus zur Falle.

Derzeit blockiert eine republikanische Kongressmehrheit unter dem Einfluss trumpistischer Hardliner jeden Haushalt, der nicht auch drastische Kürzungen vorsieht – insbesondere im Bereich von Sozial- und Umweltprogrammen. Gleichzeitig nutzt die Exekutive ihre Verwaltungsbefugnisse, um bereits genehmigte Ausgaben zu verzögern oder umzulenken. Das Ergebnis ist ein Deadlock – ein Stillstand, der weder durch Verhandlungen noch durch institutionelle Automatismen aufgelöst werden kann.

Hinzu kommt: Die Trump-Regierung nutzt bewusst den Shutdown als politisches Instrument. In Interviews und öffentlichen Verlautbarungen wird die Verantwortung auf „unkooperative Demokraten“ im Senat geschoben, obwohl die entscheidenden Blockaden oft aus den eigenen Reihen stammen. Insofern ist der Stillstand nicht nur Ergebnis eines Systemfehlers, sondern auch Teil eines strategischen Spiels.

Ein transatlantischer Vergleich

Vergleicht man die Situation mit parlamentarischen Systemen wie Frankreich oder Deutschland, wird die Sonderstellung des US-Systems deutlich. In Berlin oder Paris ist der Haushaltsbeschluss integraler Bestandteil der Regierungsmehrheit. Eine Blockade im Parlament käme einer Regierungskrise gleich – oft mit Neuwahlen als Folge. In Washington hingegen bleibt die Regierung im Amt, auch wenn ihr das Budget fehlt. Dies öffnet Raum für politisches Taktieren, Drohkulissen und Blockadepolitik.

Hinzu kommt die Rolle des Präsidenten als Regierungschef mit weitreichender Exekutivgewalt – eine Konstellation, die es in europäischen parlamentarischen Demokratien so nicht gibt. Trump nutzt diese Stellung, um seine politische Agenda auch gegen den Willen großer Teile des Kongresses durchzusetzen. Die Haushaltskrise wird so zum Symptom eines tieferliegenden institutionellen Konflikts.

Dass dies massive Auswirkungen auf die Handlungsfähigkeit des Staates hat, zeigt sich nicht nur an den geschlossenen Behörden. Auch internationale Partner beobachten die Entwicklungen mit Sorge. Ein handlungsunfähiger US-Staat schwächt nicht nur das Vertrauen in die Stabilität der amerikanischen Demokratie, sondern auch in ihre Verlässlichkeit als geopolitischer Akteur.

Wenig deutet derzeit auf eine schnelle Lösung hin. Der politische Wille zum Kompromiss fehlt, die Fronten sind verhärtet, und der Präsident setzt weiter auf Konfrontation statt auf Vermittlung. Der „Regierungsstillstand“ ist daher weit mehr als eine administrative Episode – er ist Ausdruck eines systemischen Versagens.

Autor: P. Tiko

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