Hayat Tahrir al-Sham (HTS), die islamistische Rebellengruppe, die den Sturz der Assad-Dynastie in Syrien anführte, steht nun vor einer Herausforderung, die weit über die Eroberung von Gebieten hinausgeht: die Regierungsführung. HTS hat sich seit ihrer Gründung aus extremistischen Wurzeln wie dem Islamischen Staat und Al-Qaida entwickelt, ihre Ideologie moderiert und versucht, sich als regierungsfähige Kraft zu präsentieren. Doch was bedeutet das für Syrien?
Vom lokalen Akteur zur nationalen Macht
Seit 2017 kontrolliert HTS die Provinz Idlib, eine ländliche und landwirtschaftlich geprägte Region im Nordwesten Syriens. In dieser Zeit hat die Gruppe gezeigt, dass sie eine gewisse Stabilität und Ordnung durchsetzen kann – wenn auch mit harter Hand. Mit einem straffen Sicherheitsapparat und autoritären Methoden hat HTS rivalisierende Fraktionen sowie Kritiker unterdrückt. Regelmäßige Proteste gegen willkürliche Verhaftungen und schlechte Haftbedingungen sind Ausdruck der Unzufriedenheit der Bevölkerung.
Aber kann das, was in Idlib funktioniert hat, auf ein ganzes Land übertragen werden? Syrien ist weit heterogener als die relativ kleine und kulturell einheitliche Provinz Idlib. Es gibt urbane Zentren wie Damaskus, religiöse Vielfalt und wirtschaftlich bedeutende Regionen, die andere Ansprüche und Herausforderungen mit sich bringen. Ein nationaler Regierungsanspruch würde HTS zwingen, breitere Allianzen zu schmieden – und moderatere Positionen einzunehmen.
Die Gratwanderung zwischen Ideologie und Pragmatismus
HTS hat in den letzten Jahren versucht, sich von ihrer extremistischen Vergangenheit zu distanzieren. Doch viele zweifeln, ob diese Veränderung mehr als eine taktische Entscheidung ist. Die internationale Gemeinschaft beobachtet skeptisch, ob HTS tatsächlich eine Regierung aufbauen kann, die nicht nur auf Zwang, sondern auf Legitimität beruht. Syrien ist ein Flickenteppich von Ethnien und Glaubensrichtungen – und die Spannungen könnten explodieren, wenn HTS versucht, eine rein islamistische Agenda durchzusetzen.
Die Frage bleibt: Kann eine Bewegung, die aus dem Jihadismus hervorgegangen ist, zu einem stabilisierenden Faktor in einem kriegszerstörten Land werden? Es wäre nicht das erste Mal, dass eine bewaffnete Gruppe versucht, von der Gewaltpolitik zur Regierungsführung überzugehen – aber die Erfolgsgeschichten sind rar.
Eine Regierung aus der Not heraus?
Die wirtschaftlichen Bedingungen in Syrien sind katastrophal. Selbst wenn HTS es schafft, die politische Kontrolle zu sichern, wird die Wiederherstellung der Infrastruktur und die Bekämpfung der Armut eine Mammutaufgabe. In Idlib hat die Gruppe eine rudimentäre Verwaltung aufgebaut, die Schulen und Krankenhäuser betreibt, wenn auch auf niedrigem Niveau. Doch ein Land wie Syrien verlangt mehr – und das ohne die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, die HTS weiterhin als Terrororganisation einstuft.
Wie würde HTS also mit einer humanitären Krise umgehen, die weite Teile der syrischen Bevölkerung betrifft? Bisher hat die Gruppe vor allem in den Bereichen operiert, in denen humanitäre Hilfe von internationalen Organisationen bereitgestellt wurde. Ein nationales Regime würde jedoch weitaus größere Ressourcen und Fachwissen erfordern.
Eine dunkle Aussicht oder eine neue Ära?
Es gibt keine einfachen Antworten darauf, wie Syrien unter der Herrschaft von Hayat Tahrir al-Sham aussehen könnte. Sicher ist, dass die Gruppe vor einem steinigen Weg steht. Die Regierung eines Landes erfordert mehr als militärische Stärke – sie erfordert eine Vision, die über Ideologie hinausgeht und die Bedürfnisse der gesamten Bevölkerung berücksichtigt. Ob HTS das leisten kann, wird die Zeit zeigen. Doch eines ist klar: Die kommenden Monate und Jahre werden für Syrien entscheidend sein.
Israel schließt seine Botschaft in Irland
Israel wird seine Botschaft in Dublin schließen, wie der israelische Außenminister gestern erklärte. Der Schritt folgt auf die Entscheidung Irlands, sich offiziell auf die Seite Südafrikas zu stellen und dessen Fall gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof zu unterstützen. Südafrika wirft Israel Völkermord an den Palästinensern im Gazastreifen vor – ein Vorwurf, den Israel entschieden zurückweist.
„Irland hat jede rote Linie in den Beziehungen zu Israel überschritten“, sagte der israelische Außenminister Gideon Saar in einer Stellungnahme. Bereits seit Monaten ist das Verhältnis angespannt. Im Mai rief Israel seinen Botschafter aus Irland zurück, ebenso wie aus Spanien und Norwegen, nachdem diese Länder einen palästinensischen Staat anerkannt hatten.
Die Schließung der Botschaft bedeutet jedoch nicht das Ende der diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Offizielle Vertreter betonten, dass Irlands Botschaft in Tel Aviv weiterhin aktiv bleiben werde.
Südkorea ohne gewählten Führer
Das südkoreanische Parlament hat Präsident Yoon Suk Yeol am Samstag seines Amtes enthoben. Damit steht das Land ohne gewählte Führung da – zu einer Zeit, in der es mit ernsten Herausforderungen konfrontiert ist, wie den Spannungen mit Nordkorea und einer zunehmenden politischen Polarisierung im Inland. Doch was genau steckt hinter dieser politischen Krise?
Außerhalb des Parlaments feierten Menschen den Amtsenthebungsbeschluss. Für viele war Yoons Suspendierung ein Beweis für die Stärke der südkoreanischen Demokratie. Der Präsident hatte durch die kurzzeitige Ausrufung des Kriegsrechts breite Kritik auf sich gezogen. Doch die Amtsenthebung hat ein Machtvakuum hinterlassen. Bis das Verfassungsgericht entscheidet, ob Yoon dauerhaft seines Amtes enthoben wird oder zurückkehren darf, übernimmt der Premierminister – der jedoch selbst nicht gewählt ist – die Führung des Landes.
Die Situation könnte sich zu einer Belastungsprobe für Südkorea entwickeln. Wie wird das Land ohne starke Führung auf die Bedrohungen aus Nordkorea reagieren? Und wie wird die Demokratie mit dieser Krise umgehen?
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