Tag & Nacht




Paris, 5. Mai 2025 – Früh morgens am Gare du Nord: müde Gesichter, verpasste Verbindungen und viele Handys in Gebrauch – auf der verzweifelten Suche nach Alternativen. Wer heute in der Île-de-France mit dem Zug unterwegs ist, braucht starke Nerven. Die Gewerkschaften Sud-Rail und CGT-Cheminots haben eine Streikwoche ausgerufen – und der Montag legt bereits offen, wie empfindlich das französische Nahverkehrsnetz auf solche Aktionen reagiert.

Pendler am Limit – diese Linien sind besonders betroffen

Schon zu Tagesbeginn ist klar: Der Streik trifft ins Mark des Pariser Regionalverkehrs. Besonders betroffen sind mehrere RER- und Transilien-Linien, auf denen täglich Millionen unterwegs sind. Ein kleiner Überblick über den Status quo:

  • RER B: Nördlich von Paris fährt nur jeder zweite Zug, im Süden sind es zwei von drei – immerhin bleibt die Interconnexion an der Gare du Nord bestehen.
  • RER C: Deutliche Einschränkungen, im Schnitt fährt hier nur jeder zweite Zug.
  • RER E: Noch halbwegs stabil mit vier von fünf Zügen im Einsatz.
  • Transilien N, U und V: Auch hier nur etwa 50 Prozent des Angebots.
  • Ligne H: Teils massive Ausfälle, besonders zwischen Pontoise und Creil.

Positiv überraschend: Die stark frequentierten Linien RER A und RER D rollen heute noch störungsfrei – doch wie lange das so bleibt, steht in den Sternen.

Warum wird gestreikt? Ein Blick hinter die Kulissen

Die Streikankündigung kommt nicht aus dem Nichts. Im Hintergrund schwelen seit Monaten Tarifkonflikte, Diskussionen um Arbeitszeitmodelle, Sicherheitsstandards – und der große Dauerbrenner: die Öffnung des Markts für private Anbieter.

Was für manche nach wirtschaftlicher Modernisierung klingt, bedeutet für viele Beschäftigte vor allem eines: Unsicherheit. Sud-Rail bringt es auf den Punkt: Man wolle „nicht zuschauen, wie der öffentliche Dienst Stück für Stück zerschlagen wird“. Die Gewerkschaften werfen der SNCF vor, unter dem Deckmantel der Effizienz immer mehr auf Kosten des Personals zu sparen.

Streik als Ritual? Frankreichs ewiger Nahverkehrskonflikt

Hand aufs Herz – ein Bahnausstand in Frankreich? Für viele fast schon Routine. Doch dieser Streik trifft auf eine Bevölkerung, die ohnehin unter Druck steht: steigende Mieten, hohe Inflation, unsichere Arbeitsverhältnisse. In den sozialen Medien ist das Stimmungsbild gemischt. „Ich verstehe den Protest – aber warum müssen immer wir dafür büßen?“, fragt ein sichtlich genervter Pendler auf X (ehemals Twitter).

Andere wiederum posten Solidaritätsbotschaften, teilen Streikaufrufe oder fordern die Regierung zum Dialog auf. Doch in den Bahnhöfen dominieren Frust und Resignation. Manche sehen sich fast schon gezwungen, Urlaub zu nehmen oder aus dem Homeoffice zu arbeiten – sofern das überhaupt möglich ist.

Und jetzt? Der Fahrplan in den nächsten Tagen

Die SNCF hat angekündigt, täglich neue Informationen bereitzustellen – über ihre Website und die App „SNCF Connect“. Dort können Reisende prüfen, ob und wann ihr Zug überhaupt fährt. Gleichzeitig werden Arbeitgeber angehalten, flexible Lösungen zu ermöglichen – was in vielen Branchen allerdings eher Wunschdenken bleibt.

Es wird erwartet, dass sich die Lage in den kommenden Tagen verschärfen könnte. Schon jetzt brodelt es hinter den Kulissen: Die Gewerkschaften haben signalisiert, dass sie zu längeren Arbeitsniederlegungen bereit sind, sollte es keine Fortschritte geben. Die Regierung wiederum bleibt bislang auffällig still. Doch wie lange noch?

Politik unter Zugzwang

Denn auch für Präsident Macron ist der Streik ein Problem. Er hatte sich mit großem Elan für eine Reform des öffentlichen Dienstes ausgesprochen – doch die Proteste könnten ihm erneut politische Sympathien kosten. Nicht zuletzt, weil die Bahnkundschaft zu einem großen Teil aus Pendlern besteht, die auf funktionierende Infrastruktur angewiesen sind. In einem Land, das auf Schienen gebaut ist, kann ein Streik schnell zum Flächenbrand werden.

Die Frage, die sich nun stellt: Wird es zu einem Dialog kommen oder verhärten sich die Fronten weiter? In Frankreich ist beides möglich – und nicht selten.

Das letzte Wort ist längst nicht gesprochen

Es bleibt festzuhalten: Die Geduld der Bürgerinnen und Bürger wird erneut auf eine harte Probe gestellt. Einmal mehr stehen sie zwischen den Fronten – mit Blick auf die nächste Anzeigetafel, auf der vielleicht steht: „Zug fällt aus“.

Von Catherine H.

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