Mit einem Schlag ist aus partnerschaftlichem Vertrauen ein diplomatisches Ringen geworden. Schweden, Norwegen und die Niederlande fordern gemeinsam rund 15 Millionen US-Dollar zurück – Gelder, die sie der US-Entwicklungsbehörde USAID für Projekte in einkommensschwachen Ländern anvertraut hatten. Die Mittel sind seit Monaten blockiert. Auslöser: die radikale Neuordnung der amerikanischen Entwicklungshilfe unter der Regierung Trump und dem eigens eingerichteten „Department of Government Efficiency“ unter der Leitung von Elon Musk. Von den Vereinigten Staaten erhalten die Europäer bislang keine Antwort.
Diese Situation wirft weitreichende Fragen über die finanzielle Zuverlässigkeit der USA auf. Denn im Zentrum steht nicht nur ein Streit um nicht abgerufene Mittel, sondern auch das politische Signal: Die Vereinigten Staaten, lange als Garant multilateraler Zusammenarbeit und geordneter Partnerschaften bekannt, agieren nun sprunghaft, unilateral – und folgen zunehmend eigenen strategischen Interessen.
Partnerschaft in der Schwebe
Im Zentrum der aktuellen Auseinandersetzung steht das Projekt „Water and Energy for Food“ (WE4F). Es soll in Afrika, Asien und dem Nahen Osten die landwirtschaftliche Produktivität steigern, indem es lokale Akteure mit innovativen Lösungen unterstützt – zum Beispiel durch wasser- und energieeffiziente Technologien. Die USAID koordinierte dabei nicht nur die Umsetzung, sondern verwaltete auch die Mittel mehrerer Geberländer.
Mit dem Amtsantritt der neuen republikanischen Regierung am 20. Januar kam der abrupte Kurswechsel. Die Finanzierung von Entwicklungshilfe wurde auf breiter Front eingefroren, laufende Verträge annulliert, Projekte gestoppt. Auch WE4F fiel dieser Politik zum Opfer. Schweden hat nach eigenen Angaben allein 5,1 Millionen Dollar für dieses Programm in den USAID-Konten geparkt. Die norwegische Entwicklungsagentur wartet auf Rückmeldung zu einem Beitrag von 1,4 Millionen Dollar. Die Niederlande sprechen von mindestens 1,6 Millionen Dollar.
Anfragen, was mit dem Geld geschehen sei, blieben unbeantwortet. Interne E-Mails legen nahe, dass zwei der drei Länder zuletzt sogar mit einer öffentlichen Eskalation drohten, sollte sich der Stillstand fortsetzen.
Systematische Demontage der Entwicklungshilfe
Die Affäre ist nur ein Symptom tiefergehender Veränderungen. Denn seit Jahresbeginn hat die Regierung nicht nur Projekte gestoppt, sondern nahezu 83 Prozent aller USAID-Verträge gekündigt. Viele Nichtregierungsorganisationen mussten Mitarbeitende entlassen oder gar ihre Tätigkeit einstellen. Selbst etablierte Programme wie das bekannte Notfallprogramm zur HIV-Bekämpfung (PEPFAR) wurden erheblich beschnitten.
Die Begründung der Regierung fällt ideologisch aus: Entwicklungshilfe, so das Narrativ, sei ineffizient, missbraucht und nutze in erster Linie ausländischen Interessen. Stattdessen solle sich amerikanisches Engagement künftig auf zwei Kernziele konzentrieren: den geopolitischen Wettbewerb mit China und die Förderung amerikanischer Wirtschaftsinteressen.
Mit dieser Neuorientierung stellt die Regierung eine Grundannahme der bisherigen Außenpolitik infrage – nämlich, dass wirtschaftliche Entwicklung in fragilen Staaten zur Stabilisierung beiträgt, Fluchtursachen vermindert und sicherheitspolitisch im Interesse des Westens liegt.
Rechtliche Auseinandersetzungen und institutionelles Vakuum
Die finanziellen Folgen der USAID-Umstrukturierung sind erheblich. Weil viele Zahlungen unerwartet ausblieben, erhielten betroffene Organisationen keine Kredite mehr – Banken werteten die Verträge mit der US-Regierung nicht länger als verlässlich. In mehreren Fällen laufen bereits Klagen, darunter auch von entlassenen Mitarbeitenden und Vertragspartnern. Hochrangige ehemalige US-Beamte kritisieren in offiziellen Stellungnahmen, dass die Regierung damit bewusst gegen nationale Vergaberegeln verstoße und das Vertrauen in die USA als verlässlichen Partner zerstöre.
Hinzu kommt: Die Umstrukturierung hat auch die Verwaltung selbst gelähmt. Ein Großteil der für die Abwicklung zuständigen Mitarbeitenden wurde entlassen oder beurlaubt. Die Folge: Selbst dort, wo man zur Rückerstattung bereit wäre, fehlen Kapazitäten, um die Mittelzuordnung, vertraglichen Verpflichtungen und Projektstände zu prüfen.
Ein erstes Gerichtsurteil zwingt die Regierung inzwischen, zumindest einen Teil der eingefrorenen Gelder – rund zwei Milliarden Dollar – wieder freizugeben. Ob davon auch die europäischen Partner profitieren, ist unklar.
Vertrauenskrise mit Signalwirkung
Der Vorgang ist mehr als ein technokratischer Disput über Haushaltsmittel. Für die Europäer ist die Verweigerungshaltung Washingtons ein Affront – nicht nur, weil sie Millionenbeträge blockiert, sondern auch, weil sie das partnerschaftliche Prinzip untergräbt. Entwicklungspolitische Zusammenarbeit basiert auf Vertrauen, Planbarkeit und gemeinsamen Zielen. Die aktuellen Entwicklungen stellen all das infrage.
Zugleich verschärft sich damit die Kluft zwischen den USA und ihren traditionellen Verbündeten. Bereits zuvor hatte Trump Zweifel am NATO-Bündnisfall geäußert, die Positionen Russlands aufgegriffen und wirtschaftspolitische Konflikte mit der EU angefacht. Die Affäre um die eingefrorenen Entwicklungsgelder reiht sich nahtlos in diese Konfliktlinie ein.
Für viele europäische Geberländer stellt sich nun die Frage, ob sie auch künftig auf amerikanische Strukturen setzen sollen – oder lieber eigene Kanäle für Entwicklungszusammenarbeit ausbauen. Erste Gespräche über alternative Träger für das WE4F-Programm laufen bereits.
Die politischen Kosten des amerikanischen Rückzugs aus der internationalen Entwicklungspolitik sind noch nicht vollständig abzusehen. Doch eines steht fest: Vertrauen, einmal verspielt, lässt sich schwer wiederherstellen.
Autor: P. Tiko
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