Donald Trump hat seine Linie der „harten Hand“ gegenüber demokratisch regierten Städten weiter verschärft. Mit einem neuen Dekret kündigte der amerikanische Präsident an, die Nationalgarde in Memphis, Tennessee, einzusetzen. Offiziell begründet er die Maßnahme mit der hohen Kriminalität in der Stadt. Doch Kritiker sprechen von einem weiteren gefährlichen Präzedenzfall: Der Präsident nutze militärische Mittel, um politische Gegner unter Druck zu setzen – und bewege sich damit an der Grenze zur Aushöhlung föderaler Prinzipien.
Eine Stadt im Fadenkreuz
Memphis ist eine Stadt von rund 630.000 Einwohnern, geprägt von einer mehrheitlich afroamerikanischen Bevölkerung und einem demokratisch geführten Rathaus. Wie viele urbane Zentren im Süden der USA kämpft die Stadt mit sozialen Problemen, Armut und Kriminalität. Zwar verzeichnet die Polizeistatistik zuletzt Rückgänge bei einzelnen Delikten, doch die Mordrate liegt seit Jahren über dem nationalen Durchschnitt. Für Trump genügt diese Lage, um Memphis zum nächsten Symbol seiner „law and order“-Agenda zu erklären.
In einer Zeremonie im Weißen Haus bezeichnete er die Operation als „Wiederholung dessen, was wir in Washington und Los Angeles erfolgreich getan haben“. Gemeint ist die Entsendung von Nationalgardisten und Bundesagenten in die US-Hauptstadt sowie nach Kalifornien, was bereits im Sommer für Schlagzeilen sorgte. Trump stellte in Aussicht, dass Chicago, eine Hochburg der Demokraten, „wahrscheinlich als Nächstes“ folgen werde.
Föderale Kompetenzen im Streit
Juristisch bewegt sich das Vorgehen auf heiklem Terrain. Die Nationalgarde ist in erster Linie den Gouverneuren der Bundesstaaten unterstellt. Unter bestimmten Bedingungen kann der Präsident sie jedoch „föderalisieren“. Grundlage dafür sind unterschiedliche gesetzliche Regelungen – etwa der Insurrection Act, der seit 1807 in Ausnahmefällen den Einsatz militärischer Kräfte im Inneren erlaubt, wenn die öffentliche Ordnung massiv gefährdet ist. Demgegenüber steht der Posse-Comitatus-Act von 1878, der den Einsatz der Armee bei zivilen Polizeiaufgaben grundsätzlich untersagt.
Trump rechtfertigt sein Vorgehen mit der These, die Kriminalität in Memphis übersteige die Möglichkeiten der lokalen Behörden. Der republikanische Gouverneur von Tennessee unterstützt die Maßnahme. Doch die Stadtverwaltung sieht das anders: Der demokratische Bürgermeister machte deutlich, er habe keine Unterstützung durch die Nationalgarde erbeten und zweifle am Nutzen der Aktion. Damit entsteht eine klassische Kompetenzkollision: Während der Präsident und der Gouverneur Handlungsbedarf reklamieren, beharrt die Kommune auf ihrer Autonomie.
Die politische Dimension
Über die juristischen Feinheiten hinaus ist der Einsatz in Memphis hoch politisch. Trump richtet sich mit seiner Strategie bewusst gegen Städte, die von Demokraten geführt werden und in denen nichtweisse Minderheiten einen hohen Bevölkerungsanteil stellen. Für seine Anhänger illustriert dies Entschlossenheit: Ein Präsident, der durchgreift, wo liberale Bürgermeister aus Sicht vieler Konservativer versagt haben.
Für die Demokraten dagegen ist die Operation ein gefährlicher Tabubruch. Sie werfen Trump vor, die Sicherheitsorgane zu instrumentalisieren, um politische Gegner zu diskreditieren und eigene Wahlkampfthesen zu stützen. Tatsächlich ist der Hinweis des Präsidenten auf „kriminelle Migranten“ in Memphis kaum durch belastbare Daten gedeckt, folgt aber einem bekannten Muster seiner Rhetorik. Das Bild der „unsicheren, demokratisch regierten Großstadt“ dient als Projektionsfläche im politischen Kulturkampf zwischen konservativem Land und urbanem Amerika.
Historische Parallelen
Der Einsatz von Soldaten oder Gardeeinheiten im Inneren ist in den USA kein Novum. In den 1950er- und 1960er-Jahren griff die Bundesregierung wiederholt auf den Insurrection Act zurück, um die Aufhebung der Rassentrennung in Südstaaten durchzusetzen. Damals standen Präsidenten wie Eisenhower oder Kennedy im Konflikt mit Gouverneuren, die sich gegen Bundesgerichte stellten. Auch 1992 wurde die Nationalgarde nach Los Angeles geschickt, um die Unruhen nach dem Rodney-King-Urteil einzudämmen.
Die heutigen Einsätze unterscheiden sich jedoch in einem entscheidenden Punkt: Während frühere Interventionen meist als Reaktion auf eskalierende Gewalt oder auf offene Konfrontationen mit Bundesrecht erfolgten, nutzt Trump den Hebel präventiv und ohne Einverständnis der lokalen Führung. Die Schwelle zum Einsatz militärischer Kräfte in innenpolitischen Auseinandersetzungen sinkt damit deutlich.
Risiken für den inneren Frieden
Die Wirksamkeit solcher Maßnahmen ist umstritten. Sicherheitsfachleute betonen, dass kurzfristige Truppeneinsätze allenfalls sichtbare Präsenz schaffen, aber keine strukturellen Ursachen der Kriminalität lösen. Hinzu kommt die Gefahr, dass das Verhältnis zwischen Bevölkerung und Sicherheitsorganen weiter belastet wird. Gerade in Städten mit einer langen Geschichte von Misstrauen gegenüber Polizei und Staat könnte der Eindruck einer „Besatzung“ entstehen.
Juristen warnen zudem vor einem Präzedenzfall: Wenn die Bundesregierung nach eigenem Ermessen in lokale Sicherheitsfragen eingreifen kann, droht eine Aushöhlung der föderalen Balance. Jede künftige Regierung könnte sich auf ähnliche Argumente stützen, um politisch missliebige Verwaltungen zu schwächen. Der Konflikt um Memphis kann daher weitreichende Folgen haben. Bis dahin bleiben Gerichtsverfahren, die am Ende vor dem Supreme Court landen werden.
Symbolpolitik im Wahljahr
Die innenpolitische Sprengkraft der Maßnahme wird auch durch den Zeitpunkt verstärkt. Im Vorfeld der Zwischenwahlen versucht Trump, sein Image als kompromissloser Ordnungshüter zu schärfen. Während Demokraten ihn der „Militarisierung der Innenpolitik“ bezichtigen, inszeniert er sich als Präsident, der handelt, wo andere zögern.
Ob diese Strategie aufgeht, hängt nicht zuletzt davon ab, wie die Lage vor Ort wahrgenommen wird. Sollten die Einsätze tatsächlich zu einer kurzfristigen Entspannung beitragen, könnte Trump dies als Beweis seiner Führungsstärke verkaufen. Eskalationen oder juristische Rückschläge dagegen würden die Kritik an seiner autoritären Amtsführung verstärken. In jedem Fall zeigt sich: Der Konflikt um Memphis ist weniger eine Frage lokaler Kriminalität als ein Spiegelbild der gesamtamerikanischen Spaltung zu Zeiten des Trumpismus.
Autor: Andreas M. Brucker
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