In einer diplomatisch bemerkenswerten Koordination haben zehn Staaten – darunter Frankreich, das Vereinigte Königreich, Kanada, Belgien und Portugal – in der vergangenen Woche angekündigt, den Staat Palästina offiziell anzuerkennen. Dieser Schritt, am Rande der UNO-Generalversammlung in New York verkündet, trägt unverkennbar die Handschrift des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Für die internationale Diplomatie ist dies ein symbolträchtiger Moment, doch die praktische Wirkung bleibt begrenzt.
Eine koordinierte Initiative
Die Liste der Staaten, die sich nun der Anerkennung anschließen, ist heterogen: Neben Frankreich, dem Vereinigten Königreich, Kanada, Belgien und Portugal zählen auch Andorra, Australien, Luxemburg, Malta und San Marino dazu. Einige – darunter London, Ottawa und Canberra – hatten ihre Entscheidung bereits unmittelbar vor der gemeinsamen Ankündigung vollzogen.
Mit diesem Schritt steigt die Zahl der Länder, die Palästina als Staat anerkennen, auf 152 der 193 UNO-Mitglieder. Auch der Vatikan hatte schon zuvor entsprechende Schritte unternommen. Während ein Gros der Staaten des Globalen Südens Palästina seit Jahrzehnten anerkennt, handelt es sich bei der aktuellen Initiative um ein Novum: Mehrere westeuropäische Demokratien, die bislang Zurückhaltung geübt hatten, positionieren sich nun klarer.
Symbolik und Signalwirkung
Die Anerkennung Palästinas durch westliche Demokratien ist in erster Linie ein politisches Signal. Sie unterstreicht das Festhalten an der Zwei-Staaten-Lösung, die von der internationalen Gemeinschaft seit dem Oslo-Prozess der 1990er Jahre als Leitbild verfolgt wird.
„Die Botschaft lautet: Wir wollen nicht länger nur verbal auf die Lösung hinarbeiten, sondern ihr durch staatliche Anerkennung Nachdruck verleihen“, formulierte ein Diplomat in New York. Das Signal richtet sich nicht nur an Israel und die Palästinenserführung, sondern auch an andere westliche Staaten, die bislang abwarten.
Europa in Bewegung
Gerade im europäischen Kontext ist der Schritt bemerkenswert. Lange Zeit hatten Länder wie Frankreich, Belgien oder Luxemburg ihre Anerkennung mit Fortschritten im Friedensprozess verknüpft – Fortschritte, die seit Jahren ausbleiben. Nun scheinen diese Staaten die Logik umzukehren: Die Anerkennung soll nicht das Ergebnis, sondern ein Hebel zur Wiederbelebung der Diplomatie sein.
Diese Entwicklung könnte weitere EU-Mitglieder unter Druck setzen. Spanien, Irland, Norwegen und Slowenien hatten bereits im Frühjahr 2024 Palästina anerkannt, Schweden tat dies 2014. Doch andere Schlüsselländer, darunter Deutschland, Italien oder die Niederlande, zeigen sich zurückhaltend – nicht zuletzt aus Sorge vor einer Belastung der Beziehungen zu Israel und zu den Vereinigten Staaten.
Grenzen der Wirksamkeit
Die Anerkennung verändert jedoch die Lage vor Ort nicht. Die Realität im Westjordanland und im Gazastreifen bleibt geprägt von Besatzung, Siedlungsbau, Blockade und periodischer Gewalt. Palästina verfügt nicht über gesicherte Grenzen, keine einheitliche Regierung und nur eingeschränkte Souveränität.
Auch aus völkerrechtlicher Sicht bleibt die Situation ambivalent: Zwar verschafft die Anerkennung eine stärkere Stellung in internationalen Gremien, doch eine Aufnahme als vollwertiges UNO-Mitglied ist weiterhin blockiert – maßgeblich durch ein mögliches Veto der USA im Sicherheitsrat.
Israel reagierte erwartungsgemäß ablehnend. Regierungsvertreter warfen den anerkennenden Staaten vor, „Terrorismus zu belohnen“ und die Sicherheitslage Israels zu gefährden. Auch aus Washington kamen kritische Töne: Die Trump-Administration hält an der Linie fest, dass Anerkennung nur am Ende eines Verhandlungsprozesses stehen dürfe.
Innenpolitische Dimensionen
In mehreren der beteiligten Länder war die Entscheidung innenpolitisch nicht unumstritten. In Frankreich stieß Macron sowohl auf Zustimmung aus dem linken Lager als auch auf Skepsis in konservativen und jüdischen Kreisen. In Kanada und Australien spiegeln die Schritte auch den Wandel politischer Prioritäten nach Regierungswechseln wider.
Die Anerkennung Palästinas wird somit auch zum innenpolitischen Symbol – für eine wertebasierte Außenpolitik, aber ebenso für die Fähigkeit, heikle Fragen gegen Widerstände durchzusetzen.
Neue Dynamik oder Symbolpolitik?
Ob die Initiative tatsächlich einen neuen Impuls im Nahost-Friedensprozess setzt, bleibt offen. Befürworter hoffen, dass das Signal westlicher Demokratien eine Dynamik erzeugt, die auch andere, bislang zögernde Staaten erfasst. Kritiker hingegen warnen vor einer bloßen Symbolpolitik ohne realpolitische Folgen.
Die entscheidende Frage lautet, ob die Anerkennung Schritte nach sich zieht: Unterstützung bei institutionellen Reformen der Palästinensischen Autonomiebehörde, Druck auf Israel im Siedlungsbau, Initiativen für einen nachhaltigen Waffenstillstand im Gazastreifen. Ohne solche konkreten Maßnahmen droht die Anerkennung im diplomatischen Raum zu verhallen.
Die internationale Gemeinschaft bewegt sich damit in einem Spannungsfeld zwischen Symbol und Substanz. Die Anerkennung Palästinas durch zehn einflussreiche Demokratien ist ein bedeutendes Signal – doch ob es den festgefahrenen Konflikt verändern kann, hängt von den nächsten Schritten ab, nicht von diesem ersten.
Autor: P. Tiko
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