Tag & Nacht




Es gibt Tage, die sich im Geschichtsbuch kaum abzeichnen – und doch tragen sie Ereignisse, die die Welt nachhaltig geprägt haben. Der 10. Oktober gehört zu diesen stillen, aber bedeutungsvollen Daten. Er steht für Aufstände und Entdeckungen, für tragische Abschiede und symbolische Neuanfänge – weltweit wie auch in Frankreich.


Wendepunkte der Weltgeschichte

680: Die Schlacht von Karbala

Am 10. Oktober 680 kam es in Karbala zu einem Blutvergießen, das die islamische Welt bis heute prägt. Husayn ibn Ali, der Enkel des Propheten Mohammed, wurde mitsamt seinen Gefolgsleuten getötet. Dieses Ereignis markierte die endgültige Spaltung zwischen Sunniten und Schiiten – ein Riss, der bis in unsere Gegenwart hineinwirkt. Für Millionen Gläubige symbolisiert Karbala Opferbereitschaft und Glaubenstreue, für andere erinnert es an die tiefen Wunden religiöser Konflikte.

1846: Ein Blick in den Kosmos

Im 19. Jahrhundert richteten Astronomen ihre Teleskope gen Himmel und entdeckten an diesem Tag Triton, den größten Mond des Planeten Neptun. Eine Entdeckung, die das Verständnis unseres Sonnensystems erweiterte – und wieder einmal zeigte, dass der menschliche Drang, das Unbekannte zu erkunden, grenzenlos ist.

1911: Die Wuchang-Revolution in China

In Wuhan begann am 10. Oktober 1911 ein Aufstand, der die Qing-Dynastie ins Wanken brachte und schließlich die Gründung der Republik China einleitete. Der Tag wird in Taiwan bis heute als „Nationalfeiertag“ begangen. Er steht sinnbildlich für den Beginn der Moderne in Ostasien – und erinnert daran, dass politische Erneuerung oft aus regionalen Flammen globales Feuer schlägt.

1913: Der Panamakanal nimmt Form an

Ein Sprengstoß, ein Durchbruch – buchstäblich. Als am 10. Oktober 1913 der Gamboa-Damm gesprengt wurde, verbanden sich Atlantik und Pazifik erstmals durch eine künstliche Wasserstraße. Der Panamakanal wurde zum Symbol für menschlichen Ingenieursgeist und globalen Handel. Wer hätte damals gedacht, dass diese Verbindung einst das Rückgrat der Weltwirtschaft bilden würde?

1954: Der Rückzug aus Indochina

Nach dem Ende des Indochinakrieges zogen sich an diesem Tag die französischen Truppen endgültig aus Hanoi zurück. Ho Chi Minh zog in die Hauptstadt ein – ein Meilenstein auf dem Weg zur Unabhängigkeit Vietnams.

1957: Nukleare Schatten über England

Ein Brand im Atomkraftwerk Windscale zeigte die Gefahren der aufstrebenden Atomtechnologie. Die Katastrophe blieb lange unter Verschluss, war aber ein Weckruf für mehr Sicherheitsbewusstsein – ein Thema, das bis heute aktuell klingt.

1964: Olympia in Tokio

Zum ersten Mal fanden an diesem Tag Olympische Sommerspiele in Asien statt. Ein Symbol für Japans Wiederaufstieg nach dem Krieg und seine Rückkehr in die internationale Gemeinschaft.

1967: Der Weltraumvertrag tritt in Kraft

Die Staaten der Welt einigten sich darauf, den Weltraum nicht als Eigentum zu betrachten. Der Vertrag legte fest, dass Mond und Planeten nicht kolonialisiert werden dürfen – eine Art kosmischer Friedensvertrag.

1970: Fiji wird unabhängig

Ein Inselstaat emanzipiert sich vom britischen Empire. Die Unabhängigkeit Fijis steht stellvertretend für die Dekolonisierung jener Jahrzehnte, die weite Teile der Weltkarte neu zeichnete.

1980: Erdbeben in Algerien

Ein schweres Beben zerstörte große Teile der Stadt Al Asnam (heute Chlef). Tausende Menschen verloren ihr Leben – und Frankreich, mit seinen engen Beziehungen zu Algerien, reagierte mit Hilfsaktionen.

1973: Politischer Skandal in den USA

Der Rücktritt des Vizepräsidenten Spiro Agnew wegen Korruptionsvorwürfen erschütterte die amerikanische Politik. Ein Vorgeschmack auf die Krise, die nur ein Jahr später mit Watergate ihren Höhepunkt fand.


Der 10. Oktober in Frankreich

Auch in Frankreich trägt dieser Tag seine eigene Symbolik – von höfischen Dramen bis zu politischen Entscheidungen, die das Land prägten.

17. und 18. Jahrhundert

Im Jahr 1661 kam es zu einem diplomatischen Eklat, als der französische Gesandte in London öffentlich beleidigt wurde. Eine Szene, die zeigt, wie fein austariert das Spiel der Macht zwischen den Monarchien Europas war.
1720 starb der Bildhauer Antoine Coysevox, der mit seinen Werken Versailles prägte. Er war einer jener Künstler, die dem Sonnenkönig Ludwig XIV. ein visuelles Erbe schufen, das bis heute bewundert wird.

1793: Revolutionäre Eskalation

Mitten in der Französischen Revolution beschloss die Nationalkonvention, Frankreich „bis zum Frieden“ unter revolutionärer Herrschaft zu stellen. Eine Entscheidung, die die Schreckensherrschaft ebnete und das Land tief spaltete.

1870: Ein Land im Krieg

Während des Deutsch-Französischen Krieges wurden Kommunalwahlen verschoben, und Léon Gambetta verließ das belagerte Paris per Heißluftballon, um von Tours aus weiter Widerstand zu organisieren. Ein Moment, der beinahe filmreif klingt – und doch Realität war.

1962: De Gaulle löst die Nationalversammlung auf

Ein innenpolitisches Beben: Nach einem Vertrauensverlust im Parlament entschied Charles de Gaulle, die Nationalversammlung aufzulösen. Damit begann eine neue Etappe der Fünften Republik – ein Machtspiel, das seine Handschrift trug.

1963: Der Tod von Édith Piaf

An diesem 10. Oktober erlosch die Stimme, die Frankreichs Seele verkörperte. Édith Piaf, die „Spatz von Paris“, starb mit nur 47 Jahren. Ihre Lieder klingen bis heute auf den Straßen von Montmartre – und in den Herzen der Franzosen.

1979: Die Diamanten-Affäre

Ein Skandal erschütterte die französische Politik, als bekannt wurde, dass Präsident Valéry Giscard d’Estaing Geschenke vom zentralafrikanischen Diktator Bokassa erhalten hatte – darunter echte Diamanten. Die Affäre beschädigte das Vertrauen in die politische Integrität des Élysée-Palasts nachhaltig.


Ein Datum als Spiegel der Menschheit

Ob Karbala, Tokio oder Paris – der 10. Oktober erzählt Geschichten von Macht, Glauben, Entdeckung, Verlust und Erneuerung. Er erinnert daran, dass Geschichte kein fernes Archiv ist, sondern ein atmendes Geflecht, das bis in unsere Gegenwart hineinwirkt.

Heute wird der 10. Oktober weltweit auch als Tag der psychischen Gesundheit und als Aktionstag gegen die Todesstrafe begangen. Zwei Themen, die zeigen, wie weit sich der menschliche Fokus verschoben hat – von politischer Herrschaft hin zu Bewusstsein, Empathie und Menschenwürde.

Und man fragt sich fast unwillkürlich: Wie viele weitere 10. Oktober werden noch folgen, bevor wir eines Tages selbst Teil der Geschichtsbücher werden?

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