Der kommenden COP30, die vom 10. bis 21. November 2025 in Belém (Brasilien) stattfindet, kommt eine symbolische wie praktische Schlüsselrolle zu. Inmitten der Amazonasregion, mit all ihren Widersprüchen zwischen Schutz, Ausbeutung und globaler Verantwortung, ist dieser Gipfel nicht einfach „nur eine Konferenz“. Er steht an jenem Scheideweg, an dem viele Regierungen und Gesellschaften ihre Klima‑Rhetorik auf die Probe gestellt sehen.
Doch reichen Ort und Zeitpunkt aus, um den tiefgreifenden Wandel einzuläuten? Zweifel sind berechtigt – womöglich ist dies die Stunde der Wahrheit.
Warum gerade jetzt und warum gerade hier?
Brasilien hat sich mit der Wahl von Belém als Gastgeberstadt im Herzen des Amazonas ein besonderes Rahmensetting geschaffen – mit großem Potenzial. Gleichzeitig jedoch fragil: Die Ausrichtung auf eine Region mit massiver Biodiversitätskrise und hoher Emissionsdynamik ist politisch, ökologisch und symbolisch enorm gewichtig.
Die Vorgaben sind klar: Bis 2030 den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad begrenzen – doch die Welt driftet davon ab.
Hinzu kommt: 2025 markiert auch den Stichtag für die nächste Runde nationaler Klimabeiträge. Ein Moment, in dem Ambition in messbare Inhalte übersetzt werden muss.
Belém wird deshalb nicht als „gewöhnliche“ Klimakonferenz geführt, sondern als eine COP der Umsetzung – als Meilenstein, an dem das Geplante zum Getanen werden sollte.
Die zentralen Handlungsfelder
Vier Themen stehen im Fokus – nicht neu, aber diesmal mit erhöhter Dringlichkeit.
Klimafinanzierung:
Im Vorfeld wurde eine Zielmarke von etwa 1,3 Billionen US-Dollar bis 2035 formuliert – nun geht es um die konkrete Umsetzung. Die Herausforderung: Entwicklungs- und Schwellenländer fordern verbindliche Zusagen, insbesondere für die Anpassung an die Klimakrise – ein Aspekt, der bisher oft hinter der Emissionsminderung zurücksteht. Ohne glaubwürdige Geldflüsse drohen Blockaden.
Ambitionierte nationale Beiträge:
Staaten müssen ihre Klimaschutzpläne überarbeiten und vorlegen. Große Emittenten sollen vorangehen, um den Effekt des Nachahmens zu aktivieren. Ohne diese Dynamik bleibt das Pariser Abkommen ein schönes Ideal – aber eben auch nicht mehr.
Gerechtigkeit und Governance:
Gerade in der Amazonasregion leben indigene Gemeinschaften, deren Stimmen lange übergangen wurden. Sie mit an den Tisch zu holen, ist nicht bloß ein symbolischer Akt, sondern Bedingung für tragfähige, gerechte Lösungen. Der brasilianische Vorsitz hat angekündigt, die Themen Finanzen, Governance und indigene Rechte in sogenannte „Leadership Circles“ einzubetten – ein ambitionierter Versuch, Vertrauen aufzubauen.
Schutz von Ökosystemen und Technologiewandel:
Erneuerbare Energien, Rohstoffe für die Energiewende, Aufforstung – all das steht auf der Agenda. Zugleich werfen Lieferketten für kritische Rohstoffe neue Fragen auf: Woher stammen sie? Unter welchen Bedingungen werden sie gefördert? Und wer profitiert am Ende?
Wo drohen Stolperfallen?
Ein hochkarätiger Gipfel kann nur dann Wirkung entfalten, wenn er glaubwürdig und inklusiv ist – ansonsten droht Reaktanz statt Fortschritt.
Schon vor Beginn der Konferenz verdichten sich Warnzeichen: In Belém explodieren die Unterbringungskosten, Infrastrukturen sind überlastet, einige Delegationen drohen mit Rückzug. Das Narrativ der globalen Beteiligung könnte so ins Wanken geraten.
Dazu kommt das Paradox: Ein Klima‑Gipfel im Zeichen des Waldschutzes wird begleitet von Ausbauprojekten, die neue Schneisen in den Amazonas schlagen – eine neue Schnellstraße etwa wird heftig kritisiert.
Und: Wenn die großen Emittenten nicht mitziehen, bleibt der Ruf nach „mehr Ambition“ eine hohle Formel. Der Gipfel droht dann zur Bühne des Unverbindlichen zu verkommen.
Was heißt das für Europa – und für uns?
Europa wird mit besonderer Erwartung beobachtet. Der Anspruch, globaler Vorreiter zu sein, muss sich in konkreten Vorschlägen, Finanzzusagen und Allianzen zeigen.
Frankreich könnte dabei über seine engen Verbindungen zu frankophonen Staaten in Afrika oder der Karibik eine Brückenrolle einnehmen – zwischen den industriellen Interessen des Nordens und den Lebensrealitäten des globalen Südens.
Und noch etwas: Die COP30 bietet auch wirtschaftliche Chancen. Innovationen im Bereich der Energiewende, neue Partnerschaften beim Schutz natürlicher Kohlenstoffspeicher oder Technologiekooperationen könnten Impulse setzen – wenn die politischen Rahmenbedingungen stimmen.
Eine Konferenz der letzten Chancen?
Noch ist nichts entschieden. Doch wer durch die lange Reihe gescheiterter Klimagipfel der vergangenen Jahre blättert, erkennt ein Muster: Je größer das Spektakel, desto ernüchternder oft die Ergebnisse.
Ob Belém diesen Bann brechen kann, hängt nicht nur von der Kulisse ab – sondern von der Bereitschaft, tatsächlich umzusteuern.
Braucht es wirklich noch ein weiteres Versprechen? Oder endlich den Mut, unbequeme Fragen zu beantworten – wie etwa: Wer zahlt? Wer verliert? Wer entscheidet?
Die Welt steht nicht nur an einem klimatischen Kipppunkt, sondern auch an einem politischen. Die COP30 wird zeigen, ob wir beides meistern – oder beides verspielen.
Von C. Hatty
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