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Mit markigen Worten und konkreten Initiativen hat Frankreichs Außenminister Jean-Noël Barrot bei einem Besuch in Kolumbien eine neue außenpolitische Priorität gesetzt: die Bekämpfung des internationalen Drogenhandels. „Wir wollen kein Zuschauer sein“, erklärte der Minister mit Blick auf die wachsende Verflechtung lateinamerikanischer Drogenkartelle mit europäischen Absatz- und Vertriebsstrukturen. Der Zeitpunkt und Ort seiner Aussagen – kurz vor dem EU-CELAC-Gipfel in Santa Marta – unterstreichen, dass Paris das Thema auch auf multilateraler Ebene in den Mittelpunkt rücken möchte.

Frankreich sieht sich zunehmend nicht nur als Konsumland, sondern als Zielscheibe organisierter krimineller Netzwerke, die ihre Infrastruktur bis nach Europa verlagern. Die Reise Barrots nach Kolumbien ist nicht nur symbolisch: Sie markiert einen Paradigmenwechsel in der französischen Sicherheitspolitik mit internationalem Fokus.

Von Marseille bis Medellín: Der globale Charakter des Drogenhandels

Lange galt der Drogenhandel als Problem anderer Länder – etwa in Südamerika oder Westafrika. Doch diese Perspektive greift heute zu kurz. Frankreich sieht sich mit einer massiven Zunahme an Gewalt konfrontiert, die direkt oder indirekt mit Drogenkriminalität zusammenhängt: laut offiziellen Angaben stehen 80 bis 90 Prozent aller „règlements de comptes“, also tödlichen Auseinandersetzungen unter Kriminellen, im Zusammenhang mit Drogenhandel. Zugleich sind über 10.000 Krankenhausaufenthalte jährlich auf Drogenkonsum zurückzuführen – eine klare Belastung für das Gesundheitssystem.

Zunehmend rücken dabei nicht nur Konsumenten, sondern auch Strukturen ins Visier der Behörden: Labore zur Kokainverarbeitung, die bislang nur in Südamerika vermutet wurden, tauchen inzwischen auch in Frankreich auf. Für Barrot ist das ein unmissverständliches Zeichen, dass der Kampf gegen Drogen nicht an den Außengrenzen Europas enden kann.

Neue Institutionen, neue Allianzen

Kernstück der französischen Initiative ist die Gründung einer Regionalakademie zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität in der Dominikanischen Republik. Ab dem Jahr 2026 sollen dort Ermittler, Zollbeamte und Sicherheitspersonal ausgebildet werden, um grenzüberschreitende Kriminalitätsbekämpfung zu professionalisieren und die Kooperation zwischen europäischen und lateinamerikanischen Behörden zu stärken. Besondere Kooperation ist mit Kolumbien geplant – dem weltweit größten Produzenten von Kokain.

Auch eine neue Auslieferungsvereinbarung zwischen Paris und Bogotá ist in Arbeit. Sie soll ermöglichen, dass auf beiden Seiten des Atlantiks gesuchte Drogenhändler effektiver strafrechtlich verfolgt werden können. Die juristische Verzahnung ist ein klares Zeichen dafür, dass Frankreich seine Anti-Drogenpolitik nicht mehr als rein innenpolitisches Thema behandelt.

Wirtschaft und Sicherheit: Zwei Seiten einer Medaille

Barrots Reise war nicht nur sicherheitspolitisch motiviert: In Puerto Antioquia, wo ein neuer Hafen entsteht, steht auch eines der größten französischen Investitionsprojekte in Kolumbien kurz vor der Eröffnung. Diese Nähe von wirtschaftlicher Präsenz und sicherheitspolitischem Engagement verweist auf eine doppelte Strategie: Frankreich will nicht nur gegen kriminelle Netzwerke vorgehen, sondern zugleich wirtschaftliche Stabilität und institutionelle Zusammenarbeit in der Region fördern – auch, um den Nährboden für Drogenkartelle auszutrocknen.

Der Schulterschluss zwischen Diplomatie, Wirtschaft und Sicherheit ist dabei Teil einer umfassenderen französischen Außenpolitik in Lateinamerika, die seit dem Amtsantritt Barrots stärker auf strukturelle Partnerschaften statt punktuelle Entwicklungshilfe setzt.

Kritik an den USA: Frankreich fordert multilaterale Lösungen

Bemerkenswert sind Barrots kritische Töne in Richtung Washington. Die jüngsten US-Militärschläge auf mutmaßliche Drogentransporte im Karibikraum und im Pazifik, die nach offiziellen Angaben Dutzende Tote forderten, bezeichnete Barrot als völkerrechtswidrig. Der französische Minister betonte, dass die Drogenbekämpfung „im Rahmen des internationalen Rechts und des Seerechts“ erfolgen müsse. Frankreich grenzt sich damit klar vom zunehmend unilateralen Vorgehen der USA unter Präsident Donald Trump ab und positioniert sich als Fürsprecher multilateraler, regelbasierter Strategien.

Dieses Bekenntnis zum Völkerrecht ist nicht neu, erhält jedoch vor dem Hintergrund wachsender geopolitischer Spannungen neue Relevanz. Es zeigt auch, dass Frankreich seinen Einfluss nicht nur als NATO-Mitglied, sondern auch als global agierender diplomatischer Akteur mit eigenständigem Profil versteht.

Ohne große öffentliche Inszenierung, aber mit klaren Worten und konkreten Plänen hat Frankreichs Chefdiplomat in Kolumbien ein außenpolitisches Signal gesetzt: Europa muss sich gegen die Expansion des organisierten Drogenhandels wappnen – nicht mit Symbolpolitik, sondern mit Ausbildung, Rechtsstaatlichkeit und internationalen Partnerschaften. Die geplante Akademie in der Karibik könnte dabei ein erster, strategisch bedeutsamer Schritt sein.

Autor: Andreas M. Brucker

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