Tag & Nacht


Manchmal wirkt Politik wie ein schlecht geschriebenes Theaterstück, dessen schlecht gelaunte Darsteller auf der Bühne vergessen haben, warum sie überhaupt dort stehen. Und in diesen Tagen, da sich der Jahreswechsel hartnäckig nähert wie ein unerwünschter Verwandter der Weihnachts-Familienfeier, liefern uns unsere „streitbaren“ Volksvertreter ein Schauspiel, das selbst in einem Provinztheater nur ein müdes Achselzucken provozieren würde.
Doch diesmal sind die Konsequenzen real. Und sie sind bitter.

Denn während Frankreichs Haushalte nach langer Wartezeit, nach Formularbergen, nach Kostenvoranschlägen und Energieaudits dachten, sie könnten zum Jahresbeginn mit den Umbauten endlich loslegen, flattert nun eine Nachricht ins Land wie ein kalter Luftzug durch ein schlecht isoliertes Altbauzimmer:
MaPrimeRénov’ macht ab dem 1. Januar dicht.

Man reibt sich verwundert die Augen. Wirklich?
Ja, wirklich.

Der zuständige Minister tritt vor die Kameras, bemüht gefasst, und erklärt mit bemerkenswerter Nüchternheit, man habe es doch vorher gesagt: „Pas de budget, pas de guichet.“ Kein Budget, kein Schalter. Fast schon poetisch, wenn es nicht so schmerzlich wäre.



Jetzt könnte man meinen, die Volksvertreter hätten in nächtlichen Sitzungen gerungen, verhandelt, gefeilscht, weil ihnen das Wohl der Bürger am Herzen liegt. Weil sie wissen, wie viel Hoffnung in diesem Programm steckt – für Familien, die ihre Heizkosten in den griff bekommen müssen; für Eigentümer, die den CO₂-Ausstoß senken wollen; für Handwerksbetriebe, die ihre Auftragsbücher füllen.
Doch nein.
Stattdessen zerlegen sie alles wie eine schlecht verschraubte Kommode im Möbelhaus.

Und dann tritt der Minister vor die Kameras und führt aus, die sogenannte „loi spéciale“ sei eben kein echtes Haushaltsgesetz, sondern eher eine rustine, ein Pflaster, das man auf den Kessel klebt, kurz bevor er explodiert. Ein Provisorium also – gerade gut genug, um das Land nicht komplett lahmzulegen, aber nicht so großzügig, dass es besondere Ausgaben zulässt. Und zu genau diesen Ausgaben gehört nun mal MaPrimeRénov’.

Wäre das eine dieser Anekdoten, die man bei einem Glas Wein weitererzählt, man müsste lachen. Aber es ist keine Anekdote. Es ist eine Entscheidung, die mitten ins Leben eingreift.

Denn wer sich in den letzten Wochen und Monaten mühsam durch das bürokratische Dickicht gekämpft hat, wer sich von Energieberatern erklären ließ, wie viele Zentimeter Dämmung die Rettung des eigenen Hauses versprechen, wer mit Handwerkern Termine jonglierte, Angebote einholte, vielleicht sogar schon mit dem Nachbarn über Wärmepumpen fachsimpelte – all diese Menschen stehen nun da, wie Kunden vor einem Laden, dessen Tür plötzlich krachend ins Schloss fällt.
„Wir haben vorübergehend geschlossen. Auf unbestimmte Zeit.“

Und während der Minister erklärt, man könne die Anträge ja nicht einfach entgegennehmen und später entscheiden, ob überhaupt Geld da ist – „Ça n’aurait pas de sens“ –, bleibt ein bitteres Gefühl zurück. Denn der Sinnverlust liegt nicht im Verfahren, sondern in der Politik, die sich selbst blockiert wie ein überhitzter Computer.

Es ist ja nicht so, dass die energetische Sanierung ein Randthema wäre.
Es geht um Klimaziele, um Wohnqualität, um wirtschaftliche Stabilität.
Es geht um Zukunft – ein großes Wort, das in Paris offenbar derzeit eine eher theoretische Bedeutung hat.

Ich erinnere mich an Gespräche mit Eigentümern, die auf Partys irgendwann seufzend gestehen, sie hätten ja gerne, wirklich gerne, eine Wärmepumpe eingebaut, aber die Bürokratie… und die Kosten… und die Unsicherheit… Ein Staat, der solche Menschen eigentlich ermutigen müsste, schickt sie nun zurück auf Start. Ohne Trostpreis. Ohne Würstchenbude am Spielfeldrand.

Und so entsteht dieser Eindruck, der sich leise, aber hartnäckig in die Debatte frisst:
Dass man den Menschen wieder einmal zeigt, wie man Vertrauen verspielt, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.

Die Politik hätte hier ein Momentum nutzen können, einen Energieschub, vielleicht sogar einen Funken Optimismus in einer Zeit, in der jeder zweite Blick auf die Nachrichten eher die Stimmung drückt. Stattdessen stoppt sie ein Programm, das nicht perfekt, aber notwendig war – und tut dies mit einer Selbstverständlichkeit, die man sonst nur bei Parkplatzkontrollen findet.

Dabei hätte die Regierung längst einen Haushalt haben können.
Hätte.
Ein Wort, das man in Paris inzwischen häufiger hört als „Bonjour“.

Nun also ruht MaPrimeRénov’.
Nicht aus Mangel an Bedarf, nicht aus Mangel an Ideen, sondern aus Mangel an politischer Einigung. Ein Paradebeispiel dafür, wie ein Land mit voller Geschwindigkeit auf seine eigenen Füße tritt und sich dann wundert, warum es stolpert.

Vielleicht, und das ist der sarkastische Unterton des Moments, vielleicht sollten die Parlamentarier den Winter nutzen, um einmal in ihren eigenen Büros die Heizkörper abzustellen. Eiskalte Realität wirkt manchmal erfrischend auf die Kompromissbereitschaft.

Bis dahin bleibt den Bürgerinnen und Bürgern nur zuzusehen, wie ein Programm, das für viele ein Lichtblick war, im Verwaltungsnebel verschwindet – zumindest vorerst.
Der Minister ruft dazu auf, den Haushalt „so schnell wie möglich“ zu verabschieden.
Ein Satz, den man schon so oft gehört hat, dass er längst wie ein SMS-Standardtext klingt.

Doch die Zeit läuft.
Und der Januar wartet auf niemanden.

Vielleicht gelingt es den streitbaren Parlamentariern ja doch noch, den Schalter wieder umzulegen – bevor die Menschen endgültig den Eindruck gewinnen, dass politisches Handeln vor allem darin besteht, Türen zu schließen, die längst hätten offenstehen sollen.

Ein Kommentar von Andreas M. B.

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