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Elf Umweltorganisationen und verantwortliche von indigenen Völkern verklagten am Mittwoch die Casino-Gruppe in Frankreich. Sie verweisen auf die Verantwortung des Konzerns bei der Abholzung des Amazonas durch den Verkauf von Fleisch aus extensiver Landwirtschaft in Brasilien und Kolumbien.

Ist der französische Konzern Casino mitverantwortlich für die Abholzung im Amazonasgebiet? Das behaupten zumindest französische und amerikanische Nichtregierungsorganisationen (NGOs) sowie Vertreter der indigenen Völker des brasilianischen und kolumbianischen Amazonasgebietes. Die internationale Koalition ist in die Offensive gegangen: Am 3. März verklagten die 11 französischen und ausländischen Organisationen den französischen Multi vor dem Gericht in Saint-Etienne, der Stadt, in der sich der Hauptsitz des Konzerns befindet.

Die Kläger kritisieren den französischen multinationalen Konzern für den Verkauf von Rindfleischprodukten in seinen südamerikanischen Filialen, der mit der Abholzung von Wäldern und der Landnahme von indigenen Völkern in Verbindung gebracht wird. „Wir fordern den Konzern auf, die Umweltcharta zu respektieren, indem er neue Umweltmaßnahmen ergreift und außerdem den Schaden, der den indigenen Völkern zugefügt wurde, zu beheben“, sagte Sébastien Mabile, ein Anwalt der internationalen Koalition von Verbänden, gegenüber France 24. „Wir fordern daher mehr als drei Millionen Euro Schadenersatz.“

Dieser Fall ist beispiellos. „Dies ist das erste Mal, dass eine Supermarktkette wegen Abholzung und Menschenrechtsverletzungen in ihrer Lieferkette vor Gericht gestellt wird“, sagten die Verantwortlichen der Kläger-Gruppe auf einer Pressekonferenz am 3. März. Die Klage stützt sich auf französisches Recht, und zwar auf der Grundlage des im März 2017 verabschiedeten Gesetzes zur Wachsamkeitspflicht. Dieses französische Gesetz verpflichtet Unternehmen mit Sitz in Frankreich und mehr als 5.000 Mitarbeitern, angemessene und wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um schwerwiegende Menschenrechts- und Umweltverstöße in ihrer gesamten Lieferkette zu verhindern, andernfalls werden sie haftbar gemacht und können zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt werden.

In diesem laufenden Rechtsstreit stellt das Kollektiv sicher, dass es Zugang zu den vom Climate Crime Analysis Centre gesammelten Beweisen hat. Dieses behauptet, dass die Casino-Gruppe regelmäßig Rindfleisch von drei Schlachthöfen bezogen hat, die ihr Vieh von 592 Lieferanten beziehen, die zwischen 2008 und 2020 für mindestens 50.000 Hektar Abholzung verantwortlich sind – eine Fläche, die der fünffachen Größe von Paris entspricht.

Schäden für Umwelt und Mensch

Die Casino-Gruppe ist die größte Supermarktkette in Brasilien und Kolumbien, mit ihren jeweiligen Marken Grupo Pão de Açúcar (GPA) und Grupo Éxito. Die Aktivitäten von Casino in Südamerika machen fast die Hälfte (47%) des Umsatzes der Gruppe aus.

„Es ist daher normal, dass diejenigen, die von der Umwelt- und Humankatastrophe im Zusammenhang mit der Abholzung profitieren, die größtenteils auf die Viehzucht zurückzuführen ist, zahlen sollten“, sagt Lucie Chatelain, eine Anwältin. Wir wissen, dass die Rinderzucht die Hauptursache für die Abholzung der Wälder in Südamerika ist, insbesondere in Brasilien. Nach Angaben der brasilianischen Raumfahrtbehörde (INPE) hat die Abholzung des Amazonaswaldes den höchsten Stand seit 12 Jahren erreicht. Der Amazonas ist in Gefahr, einen „Point of no Return“ zu erreichen und vom tropischen Regenwald in eine Savanne überzugehen.

Neben den Umweltschäden wollen die Kläger auch Menschenrechtsverletzungen geltend machen. „Wir, die indigenen Völker, sind die Hüter des Amazonas und des indigenen Landes“, sagte Luiz Floy vom Volk der Terena in Brasilien und Rechtsberater der Koordination der indigenen Organisationen des brasilianischen Amazonasgebietes (COIAB), auf der Pressekonferenz. „Über den finanziellen Schaden hinaus beeinträchtigt der Schaden auf dem Land der Ureinwohner unsere Lebensweise, bedroht das Überleben unserer Kultur, unserer Traditionen und letztendlich das unseres Volkes“.

Von France 24 kontaktiert, wollte die Kommunikationsabteilung von Casino keinen Kommentar zu einem laufenden Gerichtsverfahren abgeben, von dem die Gruppe gerade erst erfahren hat. Dennoch ließ sie der Redaktion mitteilen, dass „die brasilianische Tochtergesellschaft GPA eine systematische und strenge Politik der Kontrolle der Herkunft des von ihren Lieferanten gelieferten Rindfleisches betreibt. (…) Die Casino-Gruppe kämpft durch ihre Tochtergesellschaften in Lateinamerika seit mehreren Jahren aktiv gegen die Abholzung von Wäldern im Zusammenhang mit der Rinderzucht in Brasilien und Kolumbien, wobei die Komplexität der Lieferketten berücksichtigt wird“.

Die Kläger-Koalition ihrerseits behauptet, dass trotz der formellen Verpflichtung die Casino-Gruppe offensichtlich immer noch nicht dazu bereit ist, Fleisch oder verarbeitete Produkte aus Abholzungsregionen aus Ihren Geschäften Grupo Pão de Açúcar, Casino oder Grupo Éxito auszuschließen. „Im Jahr 2021 kann man zum Mars fliegen, aber ein Konzern wie Casino ist nicht in der Lage, die Abholzung aus seiner gesamten Lieferkette zu eliminieren. Das ist inakzeptabel“, sagt Boris Patentreger, Mitbegründer des Vereins Envol Vert. Der Umweltschützer beklagt auch die Doppelzüngigkeit des Multis. „Mit seinen Marken Naturalia und Monoprix spielt der Konzern einerseits die Bio-Karte für seine urbanen französischen Kunden und trägt andererseits zur Abholzung im Amazonasgebiet bei“.

Die Casino-Gruppe ist nicht der einzige Distributor, der angegriffen wird. Die Gruppe Disclose prangert auch die Rolle der Marke Carrefour bei der Abholzung des brasilianischen Amazonas an. „Zu diesem Punkt haben wir uns entschieden, nur die Casino-Gruppe zu belangen, weil sie in Kolumbien und Brasilien etabliert ist, im Gegensatz zu Carrefour, das nur in Brasilien präsent ist, aber unsere Forderungen gegenüber Carrefour sind die gleichen.“

Angesichts des Umfangs des Gerichtsverfahrens wird der Prozess voraussichtlich erst in 12 bis 18 Monaten beginnen.


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