Manchmal schreibt das Wetter seine ganz eigenen Geschichten – und diesmal ist es ein Kapitel voller Überraschungen. Während anderswo Osterglocken blühen und Terrassen mit Sonnenanbetern gefüllt sind, kämpfen die Menschen in der Savoie mit meterhohem Schnee, blockierten Straßen und strengen Ausgangssperren.
Ein Frühlingssturm namens „Hans“
Mitten im April, genauer gesagt zwischen dem 16. und 17., fegte ein Schneesturm über die französischen Alpen hinweg – ausgelöst durch das Tiefdruckgebiet „Hans“. Die Schneemengen, die innerhalb weniger Stunden vom Himmel fielen, waren alles andere als gewöhnlich. In Tignes türmte sich die weiße Pracht auf unglaubliche 1,30 Meter. Val Thorens bekam 90 Zentimeter ab, Val d’Isère immerhin noch 83. Da bleibt einem glatt die Frühlingslaune im Hals stecken.
Die Reaktion der Behörden ließ nicht lange auf sich warten: In Tignes verhängte Bürgermeister Serge Revial eine weitreichende Ausgangssperre. Von 20 Uhr abends bis 15 Uhr am Folgetag durfte sich niemand draußen bewegen – weder zu Fuß noch im Auto. Auch Val Thorens folgte diesem Beispiel. Wer nicht musste, sollte drinnen bleiben. Und das war nicht nur ein gut gemeinter Ratschlag, sondern ein Muss.
Infrastruktur am Limit
Die Schneemassen setzten nicht nur Urlaubern zu – auch Straßen, Tunnel und Stromleitungen gerieten an ihre Belastungsgrenze. Die Departementsstraße RD 902 zwischen Saint-Martin-d’Arc und Valloire-Valmeinier wurde komplett gesperrt, da die Lawinengefahr in dieser Region als extrem hoch eingeschätzt wurde. Der Fréjus-Tunnel, der Frankreich mit Italien verbindet, wurde für den Schwerlastverkehr vorübergehend dichtgemacht.
Doch damit nicht genug: 5.400 Haushalte saßen ohne Strom da, viele davon im Bereich rund um Chamonix. Umgestürzte Bäume und vereiste Leitungen machten den Technikern das Leben schwer. In Modane sorgte ein eingestürztes Baugerüst für zusätzliche Aufregung – unter der Schneelast war es zusammengebrochen, 64 Menschen mussten evakuiert werden. Kein Wunder, dass sich die Region fast wie ein Katastrophengebiet anfühlte.
Ferien im Ausnahmezustand
Dass ausgerechnet inmitten der Schulferien (für die Zonen B und C) und kurz vor dem Osterwochenende der Winter noch einmal mit voller Wucht zuschlägt, sorgte für ordentlich Chaos. Viele Urlauber waren bereits angereist, fest entschlossen, die letzten Schneetage auf der Piste zu genießen. Stattdessen saßen sie nun in ihren Chalets fest – abgeschottet von der Außenwelt, eingesperrt mit Schnee statt Sonnenschein.
Und wie es eben manchmal so ist: Nicht alle hielten sich an die Vorschriften. Einige abenteuerlustige Wintersportfans versuchten trotz Verbot, auf eigene Faust hinauszugehen. Frischer Pulverschnee lockt eben – aber die Gendarmerie war schnell zur Stelle, um die Leute zur Vernunft zu bringen. Man fragt sich da: Muss es wirklich erst lebensgefährlich werden?
Lawinengefahr bleibt Thema Nummer eins
Zwar wurde die höchste Warnstufe – die orangefarbene Lawinenwarnung – inzwischen zurückgenommen, doch Météo-France gibt noch keine Entwarnung. Die Region steht weiterhin unter gelber Beobachtung. Das liegt nicht zuletzt am bevorstehenden Temperaturanstieg – der die Schneeschichten instabil machen und neue Lawinen auslösen könnte. Also: Auch wenn die Sonne lacht – die Gefahr bleibt.
Die Sicherheitskräfte raten dringend davon ab, sich abseits der gesicherten Pisten zu bewegen. Wer trotzdem loszieht, riskiert nicht nur seine eigene Gesundheit, sondern bringt auch andere in Gefahr – inklusive der Retter.
Ein Ereignis mit Nachhall
Was dieses Wetterphänomen so besonders macht, ist nicht nur seine Intensität, sondern auch der Zeitpunkt. Mitte April sollte eigentlich die Zeit des Aufbruchs sein, von Erneuerung und Wärme. Doch „Hans“ hat gezeigt, wie wenig sich die Natur an unseren Kalender hält. Der Klimawandel bringt nicht nur schmelzende Gletscher, sondern auch Wetterextreme – auch im Frühling.
Dieser Schneesturm mag bald Geschichte sein, doch sein Echo wird bleiben. In den Köpfen der Menschen, in den Protokollen der Einsatzkräfte – und vielleicht auch als Weckruf, unsere Beziehung zur Natur neu zu überdenken.
Denn egal, wie gut wir planen – das Wetter hat immer das letzte Wort.
Andreas M. B.
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