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Ein in Umlauf geratener Entwurf für einen Friedensplan des US-Präsidenten Donald Trump zur Beendigung des Kriegs in der Ukraine hat international für Aufsehen gesorgt. Der Plan, der augenscheinlich in enger Abstimmung mit russischen Verhandlern entworfen wurde, beinhaltet weitreichende territoriale, militärische und diplomatische Konzessionen – und könnte, wenn umgesetzt, die geopolitische Architektur Europas nachhaltig verändern.


Die zentralen Inhalte des Entwurfs

Der Entwurf sieht die formale Anerkennung russischer Kontrolle über die seit 2014 beziehungsweise 2022 besetzten Gebiete vor: Dazu zählen die Krim sowie große Teile der ostukrainischen Regionen Donezk und Luhansk. Die Ukraine würde damit faktisch gezwungen, auf etwa ein Fünftel ihres Territoriums zu verzichten – einschließlich strategisch bedeutsamer Industriestandorte und Zugang zu kritischer Infrastruktur.

Militärisch sieht der Plan eine drastische Beschränkung der ukrainischen Streitkräfte auf rund 600.000 Soldaten vor. Gleichzeitig würde die Möglichkeit eines NATO-Beitritts ausgeschlossen und eine weitere Ausdehnung des Bündnisses in Richtung Osten untersagt. Die Ukraine wäre damit dauerhaft außerhalb westlicher Sicherheitsgarantien positioniert.

Im Gegenzug soll Russland schrittweise wieder in die internationale Gemeinschaft integriert werden – einschließlich einer Rückkehr in die G8 und einer Lockerung westlicher Sanktionen. Als zusätzliche Elemente sind eine Wahl in der Ukraine innerhalb von 100 Tagen, die Einsetzung eines internationalen Friedensrates unter US-Vorsitz und die Freigabe russischer Auslandsgelder für den ukrainischen Wiederaufbau vorgesehen – allerdings unter Auflagen.


Politischer Preis für die Ukraine

Für Kiew wäre die Umsetzung dieses Plans mit tiefgreifenden innenpolitischen und verfassungsrechtlichen Konsequenzen verbunden. Die ukrainische Verfassung erkennt keinerlei territoriale Abtretung an – ein offizieller Verzicht auf die annektierten Gebiete käme einer Revision staatlicher Identität gleich. Präsident Wolodymyr Selenskyj hat entsprechende Forderungen bereits mehrfach kategorisch zurückgewiesen.

Darüber hinaus droht die Ukraine in eine geopolitische Grauzone zu geraten. Ohne NATO-Beitritt, aber mit reduziertem Militärpotenzial und ohne bindende Sicherheitsgarantien wäre sie im Fall künftiger Aggressionen potenziell schutzlos – ein Szenario, das in weiten Teilen der ukrainischen Bevölkerung auf entschiedene Ablehnung stoßen dürfte.


Russlands Nutzen – und seine Risiken

Moskau wiederum würde mit diesem Plan zahlreiche zentrale Kriegsziele erreichen: die internationale Anerkennung annektierter Gebiete, die Schwächung der NATO-Ostflanke und die Lockerung westlicher Sanktionen. Die russische Führung könnte dies als diplomatischen Triumph verkaufen – ohne sich innenpolitisch für ein militärisches Scheitern rechtfertigen zu müssen.

Allerdings verpflichtet sich Russland laut Entwurf auch zu einem formellen Gewaltverzicht gegenüber der Ukraine. Eine neue militärische Eskalation könnte automatische Reaktionen auslösen – darunter erneute Sanktionen oder gar völkerrechtliche Konsequenzen. Wie glaubwürdig diese Mechanismen wären, ist allerdings unklar – insbesondere angesichts der vagen Formulierungen zu einer internationalen Überwachung.


Europas außenpolitisches Dilemma

Für Europa bedeutet der Plan ein doppeltes diemma. Zum einen droht eine strategische Marginalisierung: Die zentralen Entscheidungen über Krieg und Frieden in Osteuropa würden zwischen Washington und Moskau getroffen – ohne maßgebliche Einbindung Brüssels, Berlins oder Paris’. Das stellt nicht nur das Selbstverständnis europäischer Außenpolitik in Frage, sondern auch die Handlungsfähigkeit der EU als sicherheitspolitischer Akteur.

Zum anderen steht Europas sicherheitspolitisches Fundament auf dem Spiel. Der Verzicht auf ukrainische NATO-Perspektiven und die Akzeptanz erweiterter russischer Einflusszonen könnten ein gefährliches Präjudiz schaffen – mit Signalwirkung für andere Konflikte an den Rändern Europas. Besonders Frankreich, das sich in den letzten Jahren zunehmend für eine „strategische Autonomie“ Europas stark gemacht hat, müsste sich in einem solchen Szenario neu positionieren.


Trumps Friedensplan ist nicht nur ein diplomatisches Manöver, sondern ein geopolitisches Projekt. Er zielt auf eine schnelle Beendigung des Krieges – koste es, was es wolle. Für viele erscheint das als pragmatische Option zur Eindämmung weiterer Zerstörung und ziviler Opfer. Doch der Preis, den vor allem die Ukraine zahlen müsste, ist hoch: territoriale Verluste, militärische Schwächung, geopolitische Isolation.

Für Europa ist dieser Entwurf ein Lackmustest. Wenn der Westen bereit ist, elementare Prinzipien wie territoriale Integrität, völkerrechtliche Bindung und Bündnissolidarität zugunsten kurzfristiger Stabilität aufzugeben, stellt sich die Frage nach seiner strategischen Verlässlichkeit. Die eigentliche Entscheidung fällt dabei nicht am Verhandlungstisch – sondern bei der Frage, wer künftig überhaupt noch an diesem Platz nimmt.


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Autor: P. Tiko

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