Tag & Nacht




Es war ein lauer Frühlingstag, als sich in Uppsala, einer der ältesten und traditionsreichsten Universitätsstädte Skandinaviens, ein grausames Verbrechen abspielte. Am frühen Abend des 29. April, nur Stunden vor den alljährlichen Walpurgisfeiern, wurde mitten im Stadtzentrum ein Friseursalon zum Schauplatz einer tödlichen Schießerei. Drei junge Menschen – zwischen 15 und 20 Jahren – verloren ihr Leben.

Die Polizei war schnell vor Ort, sperrte den Vaksala-Platz ab und leitete eine großangelegte Fahndung ein. Noch in derselben Nacht wurde ein 16-Jähriger festgenommen. Weitere Verdächtige? Auf der Liste. Die Ermittlungen laufen – und das Land hält den Atem an.

Uppsala, ein Pulverfass

Diese Stadt, sonst geprägt von Studierenden, Fahrrädern und historischen Bauwerken, wirkt seit einiger Zeit wie ein Brennpunkt urbaner Gewalt. Besonders rivalisierende Banden machen der Polizei seit Jahren zu schaffen. Der jüngste Vorfall scheint kein Einzelfall, sondern vielmehr ein weiterer Baustein in einem beunruhigenden Muster.

Einer der Getöteten soll in Verbindung zu einem früheren Angriff auf einen bekannten Bandenführer stehen. Ob Rache oder Revierkampf – fest steht: Die Gewalt ist nicht nur brutaler geworden, sondern rückt immer näher an das Herz der Gesellschaft.

Wenn Kinder zu Killern werden

Der Tatverdächtige ist 16 Jahre alt. Sechzehn! Ein Alter, in dem die meisten an den ersten Kuss, den Führerschein oder die Abschlussprüfungen denken – nicht an Mord. Doch in Schwedens Schattenwelt gelten andere Regeln. Jugendliche werden gezielt von Banden rekrutiert. Warum? Weil sie unter dem Schutz ihres Alters stehen und rechtlich milder behandelt werden.

Diese perfide Strategie ist längst kein Geheimnis mehr. Und doch scheint es, als käme die Politik den Strukturen kaum hinterher. Selbst der schwedische Justizminister Gunnar Strömmer sprach von einem „äußerst ernsten“ Vorfall – Worte, die man in den letzten Monaten häufiger aus Ministerien hörte.

Die Polizei – machtlos?

Manche fragen sich: Was bringt es, Gesetze zu verschärfen, wenn die Täter immer jünger, rücksichtsloser und besser organisiert werden? Die Regierung hat zuletzt die Kompetenzen der Polizei erweitert und Strafen für Waffendelikte verschärft. Aber reicht das?

Uppsala ist längst kein Einzelfall mehr. Auch in Stockholm, Göteborg und Malmö häufen sich tödliche Auseinandersetzungen. Die Konflikte sind oft ethnisch und wirtschaftlich geprägt, teilweise international verzweigt – ein gordischer Knoten, den weder Justiz noch Sozialarbeit so schnell zerschlagen können.

Zwischen Schockstarre und Aufbegehren

Die Reaktionen in der Bevölkerung reichen von Fassungslosigkeit bis Wut. Viele fordern mehr Schutz – nicht nur durch Kameras und Polizei, sondern durch Prävention in Schulen, Nachbarschaften und sozialen Einrichtungen. Was bringt es, Kriminelle wegzusperren, wenn jeden Tag neue nachwachsen?

Gleichzeitig nehmen Stimmen zu, die fordern, das Strafmündigkeitsalter zu senken. Eine gefährliche Gratwanderung – denn wo hört Jugend auf und wo beginnt Verantwortung?

Was nun, Schweden?

Was einst als Musterland sozialer Gerechtigkeit galt, kämpft heute mit innerer Zerrissenheit. Die Frage ist nicht mehr, ob es eskaliert – sondern wie sehr. Doch auf einfache Antworten kann niemand hoffen. Es braucht ein Umdenken – von Politik, Gesellschaft und jedem Einzelnen.

Könnte es sein, dass die Spirale der Gewalt nicht nur von außen gesteuert, sondern auch von innen begünstigt wird? Ein System, das versagt, wenn Kinder sich von Gangs mehr Zugehörigkeit erhoffen als von ihren Familien?

Schweden steht an einem Wendepunkt. Der Schock von Uppsala darf nicht einfach verpuffen wie ein schlechtes Wochenende in den Nachrichten. Er muss ein Weckruf sein – auch für den Rest Europas, der nicht glauben sollte, dass diese Welle vor Grenzen haltmacht.

Jetzt liegt es an der Gesellschaft, sich gegen die Gleichgültigkeit zu stellen. Sonst wird die nächste Kugel womöglich nicht in einem Friseursalon abgefeuert, sondern in einem Klassenzimmer, einem Park – oder irgendwo, wo man sich eigentlich sicher fühlen sollte.

Von C. Hatty

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