Tag & Nacht




Es ist heiß, es ist trocken – und es weht ein gefährlich starker Wind. Seit dem 3. August 2025 steht das südfranzösische Département Bouches-du-Rhône erneut unter roter Waldbrand-Warnstufe. Météo-France spricht von einem „sehr hohen Risiko“. Der Mistral fegt mit bis zu 80 Stundenkilometern durchs Land, die Tramontane zieht nach – ein meteorologisches Pulverfass. Was das bedeutet? Feuerwehren in Alarmbereitschaft, Evakuierungspläne in der Schublade, ein Sommer, der vor allem eines ist: eine Herausforderung.

Wälder im Sperrgebiet

Sechzehn von fünfundzwanzig Wald-Massiven bleiben gesperrt. Keine Spaziergänge, keine Radtouren, keine Bauarbeiten. Wer in Marseille Urlaub macht, muss sich von den Calanques verabschieden – einem der beliebtesten Naturziele der Region. Auch die Alpilles und die Côte Bleue sind tabu. Die Maßnahme trifft Einheimische wie Reisende. Und auch wenn viele enttäuscht sind, stößt die Entscheidung überwiegend auf Verständnis. Die Gefahr ist zu groß.

Die Sperrung soll verhindern, dass überhaupt ein Feuer ausbricht. Denn wenn es erst einmal brennt, helfen selbst modernste Löschflugzeuge oft kaum noch. Vorbeugen ist also Pflicht – nicht Kür.

Menschliches Versagen: der ewige Brandbeschleuniger

Neun von zehn Waldbränden sind menschengemacht. So simpel – und so bitter – ist die Statistik. Eine achtlos weggeworfene Zigarette, ein nicht vollständig gelöschtes Lagerfeuer, ein heißgelaufener Auspuff auf trockenem Gras. Und trotz Verboten, trotz Aufklärung, trotz riesiger Warnschilder an Parkeingängen: Immer wieder werden die Regeln missachtet.

Die lokalen Waldschutzgruppen – sogenannte „Comités Communaux Feux de Forêts“ (CCFF) – sind rund um die Uhr im Einsatz. Sie kontrollieren Zugänge, sprechen Spaziergänger an, melden verdächtige Rauchentwicklungen. Ohne sie wäre die Lage noch prekärer. Ihr Engagement ist unbezahlbar – und dennoch oft unsichtbar. Wer denkt im Hochsommer an Ehrenamtliche in orangener Weste, die stundenlang in der Hitze patrouillieren?

Ein Land in Flammen

Die Bouches-du-Rhône sind kein Einzelfall. Frankreichweit wurden bis Anfang August über 15.000 Hektar Wald und Buschland ein Raub der Flammen. 9.000 Brände – eine Zahl, die einem den Atem raubt. Besonders betroffen ist der gesamte Mittelmeerraum: Var, Vaucluse, Hérault. Regionen, die für Lavendelfelder und Weinberge bekannt sind – und inzwischen auch für Feuerkarten in knalligem Rot.

Wälder, die jahrzehntelang gewachsen sind, werden in Stunden ausgelöscht. Tiere, die keinen Fluchtweg finden. Menschen, die ihre Häuser verlieren. Die Klimakrise hat aus dem Sommer eine Gefahrenzeit gemacht. Und es gibt keine Entwarnung.

Urlaub unter Auflagen

Für Touristinnen und Touristen stellt sich eine neue Frage: Was tun, wenn das Urlaubsparadies plötzlich Sperrgebiet ist? In Marseille wurden geplante Ausflüge in die Calanques abgesagt. Statt Wanderschuhe heißt es nun Badesandalen, statt Naturerlebnis das Freibad um die Ecke.

Doch viele nehmen es sportlich – im wahrsten Sinne. Sie verstehen, dass Schutz Vorrang hat. Dass es nicht nur um ihren Urlaub geht, sondern um das Überleben ganzer Ökosysteme. Und auch die Tourismusbranche zeigt sich anpassungsfähig: Anbieter organisieren alternative Stadtführungen, Bootsfahrten oder Museenbesuche.

Der Appell an den gesunden Menschenverstand

Die Behörden appellieren eindringlich an die Bevölkerung. Kein Feuer im Freien. Kein Rauchen im Wald. Keine riskanten Selfies an gesperrten Aussichtspunkten. Klingt nach Selbstverständlichkeit – ist aber in der Praxis oft Wunschdenken.

Die Verantwortung liegt bei uns allen. Und auch, wenn man es nicht immer sehen kann: Der Wald dankt es uns.

Was bleibt? Wachsamkeit – und Hoffnung

Wie geht es weiter? Die kommenden Tage bleiben kritisch. Solange der Wind nicht nachlässt und die Temperaturen über 35 Grad klettern, bleibt die höchste Alarmstufe bestehen. Die Website der Präfektur aktualisiert täglich die betroffenen Gebiete.

Doch es gibt auch Hoffnung: auf mehr Bewusstsein, mehr Prävention, mehr Respekt vor der Natur. Denn wer einmal erlebt hat, wie schnell ein Wald in Flammen aufgeht, der weiß, wie wertvoll jeder Baum ist.

Und vielleicht, nur vielleicht, wird dieser Ausnahme-Sommer zum Wendepunkt. Zum Moment, in dem nicht nur Feuerwehr und Behörden Verantwortung tragen – sondern wir alle.

Autor: Andreas M. Brucker

Neues E-Book bei Nachrichten.fr







Du möchtest immer die neuesten Nachrichten aus Frankreich?
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!