Frankreich – ein Land der Aufklärung, des Säkularismus und der Trennung von Kirche und Staat. Und doch: Christi Himmelfahrt ist ein gesetzlicher Feiertag. Wie passt das zusammen? Der Widerspruch ist nur scheinbar – ein Blick auf Geschichte und Kultur bringt Licht ins Dunkel.
Ein himmlisches Ereignis mit irdischen Folgen
Christi Himmelfahrt, auf Französisch „l’Ascension“, wird 40 Tage nach Ostern gefeiert. Laut der Bibel erschien Jesus nach seiner Auferstehung seinen Jüngern, ehe er vor ihren Augen gen Himmel fuhr. Dieses Ereignis markiert für Christen den endgültigen Übergang Jesu in die göttliche Sphäre – und das Versprechen, dass der Heilige Geist folgen wird. Zehn Tage später ist Pfingsten.
Ursprünglich wurde Christi Himmelfahrt gar nicht eigenständig gefeiert, sondern war Teil der österlichen Festzeit. Doch mit dem Konzil von Nicäa im Jahr 325 setzte sich eine eigenständige Liturgie durch. Bis heute ist dieses Hochfest im katholischen Kirchenjahr fest verankert – auch wenn es in säkularisierten Gesellschaften zunehmend in den Hintergrund tritt.
Frankreichs paradoxe Feiertagskultur
Obwohl Frankreich 1905 die Trennung von Kirche und Staat gesetzlich verankerte, blieb ein beachtlicher Teil der religiösen Feiertage erhalten. Wie das? Der Grund liegt in der langen katholischen Prägung Frankreichs. Jahrhunderte religiöser Praxis und kultureller Einbettung haben ihre Spuren hinterlassen – tief genug, um selbst nach der Laizisierung weiterzuwirken.
Ostermontag, Mariä Himmelfahrt, Allerheiligen, Weihnachten – all das sind Feiertage mit kirchlichem Ursprung. Und Christi Himmelfahrt gehört ebenfalls in diese Reihe. Zwar bestimmt heute das Arbeitsgesetzbuch (Code du travail) die gesetzlichen Feiertage, doch inhaltlich fußen sie auf alten Traditionen.
In manchen Regionen, etwa im Elsass und in Teilen Lothringens, sind sogar Feiertage wie der Karfreitag zusätzlich geschützt. Diese Sonderregelungen stammen aus der Zeit, als diese Gebiete unter deutscher Verwaltung standen. Ein schönes Beispiel dafür, wie Geschichte heute noch unseren Kalender diktiert.
Zwischen Kirche, Freizeit und Brückentag
Während in Deutschland Christi Himmelfahrt oft mit dem Vatertag zusammenfällt – samt Bollerwagen und Biergarten –, bleibt der Feiertag in Frankreich deutlich ruhiger. Religiöse Messen, stille Einkehr, vielleicht ein Ausflug aufs Land – das war’s. Doch viele Franzosen freuen sich über den freien Donnerstag aus einem ganz anderen Grund: Sie machen „le pont“, den Brückentag, und gönnen sich ein langes Wochenende.
Ein verlängertes Wochenende im Mai – wer würde da Nein sagen? Manche nennen es ein „heiliges Wochenende“ im weltlichen Sinne. Eine Mischung aus kultureller Gewohnheit und cleverer Freizeitplanung also.
Katholisches Erbe trotz Laizität?
Frankreich hält seine laizistische Identität hoch – das Gesetz von 1905 hat die Trennung von Religion und Staat fest verankert. Schulen sind religionsfrei, religiöse Symbole in öffentlichen Einrichtungen sind tabu. Und dennoch: Die Wurzeln des Landes reichen tief in die katholische Tradition.
Das zeigt sich nicht nur im Kalender, sondern auch in Architektur, Kunst und Sprache. Feiertage wie Christi Himmelfahrt sind stille Zeugen dieser Vergangenheit. Sie sind Ausdruck einer kulturellen Kontinuität, die stärker ist als jede Gesetzesnovelle. Warum auch alles über Bord werfen, was über Generationen gewachsen ist?
Und heute?
Zwar sinkt die Zahl praktizierender Katholiken in Frankreich kontinuierlich – besonders unter Jugendlichen. Doch das bedeutet nicht, dass religiöse Feiertage verschwinden. Sie haben eine neue Rolle bekommen: als kulturelles Erbe, als kollektive Erinnerung, als Anlass zur Erholung.
Könnte es sein, dass gerade in einer zunehmend schnellen und säkularen Welt solche Tage wichtiger denn je sind?
Ein Feiertag zwischen Himmel und Alltag
Christi Himmelfahrt ist in Frankreich viel mehr als nur ein freier Donnerstag. Es ist ein Fenster in die Geschichte, ein Spiegel der Gesellschaft und ein Beispiel für die Fähigkeit eines Landes, Altes und Neues miteinander zu vereinen. Zwischen Kathedralen und Croissants, Messe und Müßiggang, Bibel und Brückentag – dieser Feiertag zeigt, dass selbst in einem laizistischen Staat der Glaube seinen Platz behalten kann. Still, aber wirksam.
Von Andreas M. Brucker
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