Tag & Nacht


Ende 2025 wurde im US-Verteidigungsministerium eine tiefgreifende Veränderung im Umgang mit Medienvertretern vollzogen. Unter dem republikanischen Verteidigungsminister Pete Hegseth hat das Pentagon die Zugangsregeln für den hauseigenen Press Corps umfassend reformiert – mit drastischen Folgen: Zahlreiche renommierte Medienhäuser haben ihren Zugang freiwillig aufgegeben oder verloren, während an ihrer Stelle eine neue Generation an Medienakteuren – vor allem konservative Influencer, Blogger und Kommentatoren sozialer Netzwerke – Einzug gehalten hat. Die Entwicklung markiert einen Bruch mit jahrzehntelanger Praxis und wirft grundlegende Fragen zur Rolle von Journalismus, Regierungs-PR und demokratischer Kontrolle auf.

Ein radikaler Umbau hinter verschlossenen Türen

Bisher waren es erfahrene Korrespondenten großer überregionaler Zeitungen, Nachrichtenagenturen und Fernsehsender, die täglich über die Arbeit des Verteidigungsministeriums berichteten. Sie verfügten über festen Zugang, konnten an Pressebriefings teilnehmen, Interviews führen und Informationen auch über informelle Quellen verifizieren. Diese Form des institutionellen Journalismus galt als Rückgrat der militärischen Berichterstattung in den USA – und als Teil eines demokratischen Kontrollmechanismus.

Seit Herbst 2025 jedoch verlangt das Pentagon von allen akkreditierten Medienvertretern, dass sie sich an neue Kommunikationsrichtlinien halten. Dazu gehört die Verpflichtung, nur vorab freigegebene Inhalte zu veröffentlichen – auch wenn diese nicht der Geheimhaltung unterliegen. Gleichzeitig wurden interne Kontaktmöglichkeiten zu nicht autorisierten Quellen stark eingeschränkt. Die neuen Regeln greifen tief in die redaktionelle Unabhängigkeit ein und wurden von vielen Medien als unvereinbar mit der US-Verfassung bewertet.

In der Folge gaben führende Nachrichtenorganisationen – darunter Tageszeitungen, Fernsehsender und Agenturen – geschlossen ihre Akkreditierungen zurück. Der historische Pressesaal des Pentagon wurde nahezu vollständig neu besetzt.

Ein neues „Press Corps“ – konservativ, digital, loyal

In die entstandene Lücke rückte binnen Wochen eine neue Gruppe von Berichterstattern nach. Sie stammen überwiegend aus dem Milieu der sozialen Medien, betreiben politische YouTube-Kanäle, Podcasts oder Webseiten, die der republikanischen Partei oder explizit der Trump-nahen Rechten verbunden sind. Viele dieser Akteure bezeichnen sich selbst nicht als Journalisten, sondern als politische Kommentatoren oder „patriotische Stimmen“.

Einige von ihnen verfügen über große Reichweiten in sozialen Netzwerken, haben aber wenig oder keine journalistische Ausbildung. Ihre Inhalte zeichnen sich oft durch meinungsstarke, polarisierende Formate aus. Teilweise brüsten sich einzelne Vertreter öffentlich damit, die Plätze „linksgerichteter Medien“ eingenommen zu haben. Die neue Kommunikationsstrategie des Pentagons scheint diese Form der Sichtbarkeit zu bevorzugen – nicht zuletzt, um jüngere Zielgruppen zu erreichen, die traditionelle Medien zunehmend meiden.

Aus Sicht des Verteidigungsministeriums handelt es sich um eine Anpassung an den digitalen Strukturwandel. Kritiker sehen darin jedoch eine bewusste Politisierung des Informationszugangs, die auf regierungstreue Berichterstattung setzt – auf Kosten von Unabhängigkeit und kritischem Journalismus.

Verfassungsklage, Proteste, medienpolitischer Flurschaden

Der Umbau blieb nicht unbeantwortet. Mehrere Medienverbände und Journalistennetzwerke verurteilten die neuen Regeln als klaren Angriff auf die Pressefreiheit. Ein führendes Medienhaus reichte eine Bundesklage ein und beruft sich auf den ersten Verfassungszusatz, der die Meinungs- und Pressefreiheit garantiert. Die Klage gilt als potenziell wegweisend für zukünftige Abgrenzungen zwischen legitimer Regierungs-PR und verfassungswidriger Informationskontrolle.

Gleichzeitig beobachten Rechtswissenschaftler mit Sorge, wie sich das Machtverhältnis zwischen Regierung und Medien verschiebt – und wie stark ideologische Kriterien bei der Auswahl der neuen Pressevertreter eine Rolle spielen. Die traditionelle Rolle des Journalismus als kritischer Begleiter staatlichen Handelns wird durch eine Form medialer Gefolgschaft ersetzt, deren Ziel es offenbar ist, das Image der Regierung zu stärken, nicht ihre Entscheidungen zu hinterfragen.

Einige Medien versuchen, trotz Ausschluss vom Pressesaal, weiterhin über das Pentagon zu berichten – durch informelle Quellen, geleakte Informationen und investigative Recherche. Doch der Zugang zu primären Informationen und Hintergrundgesprächen ist erheblich erschwert.

Ein Paradigmenwechsel mit internationaler Signalwirkung

Was sich im Pentagon vollzieht, ist mehr als ein interner Machtkampf. Es ist ein Präzedenzfall für den Umgang einer staatlichen Institution mit kritischer Öffentlichkeit im Zeitalter der sozialen Medien. Die Entscheidung, journalistische Standards durch digitale Reichweite zu ersetzen, könnte auch in anderen Bereichen Schule machen – ob in der Innenpolitik, im Außenministerium oder in regionalen Behörden.

Die Frage, wie staatliche Stellen mit Medien umgehen, ist nicht nur eine technokratische – sie berührt das Fundament demokratischer Ordnung: die Transparenz des Regierungshandelns, die Vielfalt der Perspektiven und das Recht der Öffentlichkeit auf unabhängige Information. Der Versuch, dieses Gleichgewicht durch kontrollierte Inhalte zu verschieben, ist ein Spiel mit hohem Einsatz.

Während das Pentagon von einer Modernisierung der Kommunikationsstrukturen spricht, ist in Wahrheit ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen worden. Ein Verteidigungsministerium, das nur noch mit genehmen Medien spricht, kann kaum als Modell für eine offene Gesellschaft gelten.

Autor: P. Tiko

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