Ein Donnerschlag für die Tourismusbranche: Nahezu 10.000 Hoteliers aus ganz Europa ziehen gemeinsam vor Gericht. Ihr Ziel? Die mächtige Online-Buchungsplattform Booking.com. Der Vorwurf: missbräuchliche Tarifpraktiken, die den Wettbewerb verzerren und den Hoteliers die Luft zum Atmen nehmen.
Der Prozess hat Gewicht – nicht nur juristisch, sondern auch symbolisch. Denn hier stehen Tausende kleine und mittelständische Betriebe einem digitalen Giganten gegenüber, der den Markt längst dominiert.
Die Klage hat es in sich
Eingereicht wurde die Sammelklage von der niederländischen Hotel Claims Alliance Foundation am Amtsgericht in Amsterdam – dort, wo Booking.com seinen Hauptsitz hat. Der geschätzte wirtschaftliche Schaden? Mehrere hundert Millionen Euro. Eine Summe, die zeigt, wie tief der Frust in der Branche sitzt.
Im Zentrum der Vorwürfe steht eine Praxis, die vielen Verbrauchern kaum bewusst sein dürfte: Booking.com soll Hoteliers untersagen – oder sie zumindest stark unter Druck setzen –, auf anderen Plattformen oder den eigenen Websites bessere Preise anzubieten. Eine Art Knebelvertrag, der jegliche Preishoheit in die Hände des Portals legt.
Frankreich geht voran – und warnt
Bereits im Juni hatte die französische Wettbewerbsbehörde Booking wegen dieses Vorgehens gerügt. Die Plattform wurde aufgefordert, ihre Geschäftspraktiken bis spätestens Ende des Jahres zu überarbeiten. Eine klare Ansage – und ein wichtiger Schritt, der nun Nachahmer in ganz Europa findet.
Denn obwohl Booking diese Bestimmungen in Frankreich seit 2015 offiziell abgeschafft hat, gelten sie in anderen europäischen Ländern bis heute. Das Resultat: deutlich höhere Provisionssätze, die laut der europäischen Hotelverbände um bis zu 30 Prozent steigen können.
Die stille Macht der Plattformen
Booking.com ist kein Nischenanbieter – es ist der Platzhirsch. Rund 70 % aller Online-Buchungen laufen über diesen Kanal, während der größte Konkurrent Expedia auf lediglich 15 % kommt. Eine Machtposition, die nicht nur die Regeln des Spiels verändert, sondern auch das Spielfeld selbst.
„Mit jeder Expansion konnte Booking seine Kommissionen erhöhen und stärker auf unsere Margen drücken“, erklärt Véronique Siegel, Präsidentin der Hotelsparte der französischen Branchenvereinigung Umih, gegenüber France Inter. Die Kalkulation ist schnell erklärt – und ernüchternd: Von einem Zimmerpreis von 100 Euro bleiben dem Hotelier nach Abzug der Provision im besten Fall 75 Euro. Davon müssen Gehälter gezahlt, das Haus instand gehalten und investiert werden.
Die bittere Realität für Hoteliers
Für viele Hotels – besonders unabhängige, familiengeführte Häuser – sind diese Bedingungen kaum noch tragbar. Sie verlieren die Kontrolle über ihre eigene Preisgestaltung und geraten immer tiefer in die Abhängigkeit eines Systems, das auf maximalen Profit ausgelegt ist.
Dabei wünschen sich viele Hoteliers nichts sehnlicher als eines: fairen Wettbewerb. Wer sein Zimmer auf der eigenen Website günstiger anbietet als auf Booking, wird schnell sanktioniert – etwa durch schlechtere Sichtbarkeit auf dem Portal. Ein Teufelskreis, aus dem es kaum ein Entrinnen gibt.
Ein zäher Weg – aber ein notwendiger
Mehr als 30 europäische Hotelverbände unterstützen mittlerweile die Klage. Doch der Weg zur Entschädigung ist individuell: Jeder einzelne Hotelier muss sich aktiv online registrieren – und das bis Ende August. Kein einfacher Schritt, aber für viele die einzige Chance, ein Zeichen zu setzen.
Wird dieser juristische Feldzug Erfolg haben? Die Chancen stehen nicht schlecht. Die Aufmerksamkeit ist da, die Argumente sind stichhaltig – und der öffentliche Druck wächst. Vielleicht ist diese Klage nicht nur der Beginn eines Gerichtsverfahrens, sondern auch der Anfang einer längst überfälligen Marktbereinigung.
Denn mal ehrlich: Sollte nicht der Gastgeber über den Preis seiner Unterkunft bestimmen – und nicht der Vermittler?
Autor: C.H.
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