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Der Atlantische Meridionale Umwälzzirkulation (AMOC) ist ein riesiges ozeanisches Strömungssystem, das als Herzschlag des globalen Klimas gilt. Seine Rolle ist es, warmes Wasser von den Tropen nach Norden zu transportieren und kaltes Wasser in den Süden zurückzuführen. Dabei reguliert es das Klima in weiten Teilen der Welt – von milden Wintern in Europa bis zu stabilen Wettermustern in den Tropen. Doch genau dieses lebenswichtige System steht kurz vor einem dramatischen Umbruch, der das Klima weltweit für Jahrhunderte verändern könnte.

Eine neue Studie schlägt Alarm: Der Kollaps des AMOC könnte bereits zwischen 2025 und 2095 eintreten. Obwohl die Unsicherheiten bei der Vorhersage groß sind, sind sich führende Klimawissenschaftler einig, dass das Risiko eines Zusammenbruchs real ist und verheerende Folgen haben könnte.

Was ist das AMOC und warum ist es so wichtig?

Das AMOC ist Teil eines globalen Zirkulationssystems, oft als „ozeanisches Förderband“ bezeichnet, das Wärme und Nährstoffe um den Globus transportiert. Besonders der Golfstrom – ein bekannter Teil dieses Systems – hält das Klima in Westeuropa verhältnismäßig mild. Diese Strömung funktioniert nach einem simplen physikalischen Prinzip: Salzhaltiges, kaltes Wasser ist dichter und sinkt ab, während wärmeres Wasser aus den Tropen nachströmt, abkühlt und ebenfalls absinkt. Dadurch entsteht eine stetige Bewegung, die dafür sorgt, dass das Klima auf der Erde im Gleichgewicht bleibt.

Doch genau dieses Gleichgewicht gerät ins Wanken. Der Klimawandel, getrieben durch menschliche Aktivitäten, verändert die grundlegenden physikalischen Bedingungen im Nordatlantik. Schmelzendes Eis aus Grönland und steigende Niederschlagsmengen führen dazu, dass Süßwasser in den Nordatlantik fließt, das die Dichte des salzigen Meerwassers reduziert und das Absinken des Wassers verlangsamt. Dadurch schwächt sich das AMOC ab – eine Entwicklung, die bereits seit den frühen 2000er Jahren beobachtet wird und aktuell auf einem Tiefststand der letzten 1000 Jahre angelangt ist.

Was passiert, wenn AMOC zusammenbricht?

Die Vorstellung eines AMOC-Kollapses ist nicht neu. Geologische Aufzeichnungen zeigen, dass das Strömungssystem in den letzten 100.000 Jahren mehrfach abrupt zusammengebrochen ist. Ein solches Ereignis führte in der Vergangenheit zu extremen Klimaveränderungen innerhalb weniger Jahrzehnte.

Ein Zusammenbruch des AMOC hätte schwerwiegende Auswirkungen:

  • Abkühlung in Europa: Ohne den Golfstrom würde sich Europa drastisch abkühlen. Wissenschaftler prognostizieren Temperaturstürze von 5 bis 10 Grad Celsius in den kommenden Jahrzehnten. Solche Klimaextreme könnten das europäische Wetter massiv verändern – mit bitterkalten Wintern, kürzeren Vegetationsperioden und einem höheren Energiebedarf.
  • Extreme Wettermuster weltweit: Während Europa und Nordamerika sich abkühlen würden, stiege die Temperatur in den Tropen. Besonders betroffen wären Regionen wie die Sahelzone oder der Amazonas-Regenwald, wo Veränderungen der Monsunzyklen katastrophale Auswirkungen auf Landwirtschaft und Wasserressourcen hätten.
  • Meeresspiegelanstieg an der US-Ostküste: Der Zusammenbruch könnte den Meeresspiegel entlang der amerikanischen Ostküste um mehrere Meter anheben und so Städte wie New York oder Miami einem noch größeren Risiko von Überschwemmungen aussetzen.

Zudem könnte sich der Zusammenbruch auf marine Ökosysteme auswirken, die das Leben im Ozean, Fischbestände und somit die Ernährungssicherheit von Millionen Menschen bedrohen würden.

Wie nah sind wir an diesem Wendepunkt?

Ein Wendepunkt, auch als „Tipping Point“ bezeichnet, ist der Punkt, an dem das System aus dem Gleichgewicht gerät und irreversible Veränderungen eintreten. Forscher schätzen, dass das AMOC bereits in den nächsten Jahren diesen Punkt erreichen könnte. Eine im Jahr 2023 veröffentlichte Studie warnt davor, dass der Kollaps des AMOC bereits ab 2025 beginnen könnte – viel früher als bisher angenommen.

Die bisherigen Daten basieren auf indirekten Messungen, da das AMOC erst seit 2004 direkt beobachtet wird. Die Forscher untersuchen daher historische Temperaturdaten und andere Indikatoren, um herauszufinden, wie stark das System bereits geschwächt ist. Doch obwohl die Prognosen variieren, sind sich die Wissenschaftler einig: Das Risiko ist real, und die Auswirkungen könnten verheerend sein.

Gibt es noch Hoffnung?

Die drohende Gefahr des AMOC-Kollapses zeigt einmal mehr, wie dringend klimatische Maßnahmen nötig sind. Um das Schlimmste zu verhindern, müssen die globalen Treibhausgasemissionen drastisch gesenkt werden. Wissenschaftler fordern deshalb, die Ziele des Pariser Abkommens einzuhalten, die eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius anstreben. Ohne solche Maßnahmen könnten wir bereits in wenigen Jahren irreversible Schäden sehen, die das Leben auf der Erde fundamental verändern.

Die Debatte über den AMOC-Kollaps ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Einige Experten sind skeptisch, ob die Modelle und Vorhersagen wirklich so akkurat sind, wie sie dargestellt werden. Doch selbst wenn es Unsicherheiten gibt, ist die Botschaft klar: Die Risiken sind zu groß, um sie zu ignorieren. Wenn wir weiter „business as usual“ betreiben, könnten wir uns in eine Zukunft begeben, in der extreme Klimaereignisse zur Norm werden – und das nicht erst in ferner Zukunft.

Fazit: Handeln bevor es zu spät ist

Die Warnungen der Klimaforscher sind deutlich: Ein Kollaps des AMOC wäre ein einschneidendes Ereignis, dessen Folgen weit über Europa hinausreichen und das Klima auf der gesamten Erde für Jahrhunderte beeinflussen würde. Die einzige Lösung liegt in unserem Handeln – und die Zeit drängt.

Die Frage, die wir uns stellen müssen, lautet: Wie lange können wir es uns noch leisten, wegzuschauen?


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