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Warum ein verstorbener Papst weiterhin Zielscheibe rechter Kampagnen bleibt.

Der Tod von Papst Franziskus am 21. April 2025 war ein weltweites Ereignis – und doch blieb das Bild des verstorbenen Kirchenoberhaupts nicht unberührt von Skandalen. Kaum hatte sich der Rauch über den Vatikan verzogen, machten Videos und Vorwürfe die Runde: Franziskus sei rassistisch gewesen, habe Gläubige gedemütigt. Schlagworte, die hängen bleiben. Doch was steckt wirklich dahinter?

Ein Blick hinter die Kulissen zeigt schnell: Vieles von dem, was derzeit viral geht, ist Teil einer gezielten Kampagne.

Eine Geste, viele Interpretationen

Zentraler Bestandteil der aktuellen Aufregung sind Videos, die zeigen, wie Papst Franziskus seine Hände von Gläubigen wegzieht, wenn sie versuchen, seinen Ring zu küssen. Für einige ein Affront – ein Zeichen von Verachtung. Besonders ein Clip, in dem Franziskus die Hand vor einem schwarzen Mann zurückzieht, brachte den Vorwurf des Rassismus auf den Tisch.

Aber Moment mal – sehen wir hier wirklich die ganze Wahrheit?

Die Aufnahmen stammen aus dem Jahr 2019, aus einer Zeit, in der Franziskus das Küssen seines Papstringes bewusst einschränkte. Damals erklärte der Vatikan: Der Papst wolle die Verbreitung von Keimen vermeiden. Besonders in Zeiten, in denen Pandemien das öffentliche Leben prägen, ist das mehr als nachvollziehbar. Und das Beste: Der Papst handelte bei allen Gläubigen gleich – egal welcher Herkunft. Diskriminierung? Fehlanzeige.

Desinformation im Trauerkleid

Doch warum kocht dieses Thema ausgerechnet jetzt wieder hoch?

Die Antwort liegt auf der Hand: Nach dem Tod von Franziskus nutzten vor allem ultrakonservative Kreise und rechte Gruppierungen die Gunst der Stunde. Sie bedienten sich alter Aufnahmen, interpretierten sie neu – und setzten sie gezielt ein, um das Andenken an einen Papst zu beschädigen, der für sie stets ein Dorn im Auge war.

Franziskus war kein Kirchenoberhaupt der leisen Töne. Seine progressiven Positionen zu Migration, Umweltschutz und LGBTQ+-Rechten machten ihn zur Hassfigur für Traditionalisten und Populisten. Besonders europäische Rechtsaußen-Politiker wie Éric Zemmour, der den Papst einst als „woke“ verspottete, sehen jetzt ihre Chance gekommen, um dessen Erbe zu diskreditieren.

Echte Kontroversen? Ja, aber mit Kontext

Natürlich war Franziskus nicht frei von Fehltritten. Im November 2022 sagte er, einige der „grausamsten“ russischen Soldaten im Ukraine-Krieg stammten aus ethnischen Minderheiten wie den Tschetschenen und Burjaten. Der Vorwurf: Rassismus. Der Vatikan entschuldigte sich prompt in Moskau – ein diplomatischer Eiertanz, der zeigt, wie schwer es manchmal fällt, die Balance zwischen Meinung und Diplomatie zu halten.

Noch heikler wurde es im Mai 2024, als Franziskus in einer privaten Runde ein umstrittenes Wort benutzte, das von vielen als homophob gewertet wurde. Wieder hagelte es Kritik, wieder folgte eine Entschuldigung. Der Papst ließ verlauten, er habe niemanden verletzen wollen und bereue seine Wortwahl.

Doch was sagt das alles aus?

War Franziskus ein Rassist, ein Homophob? Oder eher ein älterer Mann mit impulsiven Aussagen, der sich seiner Wirkung nicht immer bewusst war? Wahrscheinlich ist es am Ende keines davon.

Wie Propaganda funktioniert

Die aktuelle Welle der Vorwürfe zeigt vor allem, wie leicht Bilder aus dem Kontext gerissen und neu aufgeladen werden können. Ein Handwegziehen wird zum Symbol für Rassismus, ein missverständliches Wort zum Beleg für Homophobie. Die Strategie dahinter? Einfach: Wiederholung. Wer etwas oft genug hört oder sieht, glaubt es irgendwann. Besonders in Zeiten sozialer Netzwerke, in denen Emotionen mehr zählen als Fakten.

Dabei ist die Wahrheit oft vielschichtiger. Franziskus war einer der umstrittensten Päpste der Neuzeit – und gleichzeitig einer der populärsten. Seine Haltung zur Moderne, seine Offenheit für gesellschaftliche Themen, sein Eintreten für Arme und Benachteiligte machten ihn für viele zum Hoffnungsträger – und für andere zum Feindbild.

Ein Erbe unter Beschuss

Letztlich bleibt das Erbe von Papst Franziskus umkämpft. Die Angriffe auf ihn enden nicht mit seinem Tod – im Gegenteil. Gerade jetzt versuchen Gegner, seine Errungenschaften kleinzureden und durch gezielte Desinformation Zweifel zu säen.

Doch so einfach lassen sich Geschichte und Vermächtnis nicht umschreiben. Wer genauer hinsieht, erkennt: Hinter den vermeintlichen Skandalen steckt oft mehr Kampagne als Substanz. Und vielleicht zeigt sich genau daran, wie sehr Franziskus bewegt hat – und immer noch bewegt.

Von Andreas M. Brucker

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