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Schulen sollten sichere Orte sein – Orte des Lernens, Spielens und Wachsens. Doch in Marseille, Nizza, Cannes und Avignon atmen Hunderttausende von Schülern täglich Luft, die alles andere als gesund ist. Eine aktuelle Untersuchung der Umweltorganisation Respire zeigt alarmierende Zahlen: In fast allen Schulen der Region übersteigen die Werte für Stickstoffdioxid und Feinstaub die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Was bedeutet das für die Gesundheit der Kinder? Und warum wird nicht schneller gehandelt, um die Luftqualität zu verbessern?


Atemluft als Gesundheitsrisiko

Die Studie von Respire, die sich auf Luftqualitätsdaten aus dem Jahr 2023 stützt, untersuchte 2.800 Schulen in der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur. Das Ergebnis ist ernüchternd:

  • Über 50 % der Schulen überschreiten die empfohlene Grenze für Stickstoffdioxid (NO₂).
  • 98 % der Schulen liegen über den WHO-Grenzwerten für Feinstaub (PM 10 und PM 2.5).
  • Rund 900.000 Schüler sind täglich einer erhöhten Luftverschmutzung ausgesetzt.

Stickstoffdioxid stammt hauptsächlich aus dem Straßenverkehr – vor allem aus Dieselabgasen. Feinstaub entsteht durch Verbrennungsvorgänge, aber auch durch den Abrieb von Reifen und Bremsen. Besonders problematisch: Diese winzigen Partikel dringen tief in die Lunge ein und können langfristige Schäden verursachen.

Schulwege durch Smog-Zonen

In Marseille gibt es keine Schule, die die WHO-Empfehlungen für Luftqualität erfüllt. Besonders betroffen sind zentrale Stadtteile. Nur einige Einrichtungen im 7. Arrondissement und in entlegeneren Gegenden weisen eine „passable“ Luftqualität auf – was nichts anderes bedeutet, als dass die Verschmutzung „nur“ knapp unter den höchsten Belastungsstufen liegt.

Ein Drittel der Schüler in Marseille atmet doppelt so viele Feinstaubpartikel ein, wie es die WHO für gesundheitlich vertretbar hält. Auch in Nizza und Cannes sind die Werte alarmierend hoch.

Das wirft eine unangenehme Frage auf: Warum schickt man Kinder jeden Tag in eine Umgebung, die ihrer Gesundheit schadet?


Luftverschmutzung: Ein stiller Krankmacher

Die Folgen der Luftverschmutzung sind nicht zu unterschätzen. Laut Respire trägt die Belastung durch Stickstoffdioxid und Feinstaub zu 12 bis 20 % aller neuen Atemwegserkrankungen bei Kindern bei. Dazu gehören:

  • Asthma
  • Chronische Bronchitis
  • Allergien und Lungenentzündungen
  • Mittelohrentzündungen
  • Sogar Leukämien werden mit Feinstaubbelastung in Verbindung gebracht

Kinder sind besonders anfällig, da ihre Lungen noch in der Entwicklung sind. Wer in jungen Jahren schlechter Luft ausgesetzt ist, hat später ein höheres Risiko für chronische Atemwegserkrankungen und Herz-Kreislauf-Probleme.

Kurz gesagt: Hier geht es nicht um ein vages Umweltproblem – es geht um die Gesundheit einer ganzen Generation.


Gab es Fortschritte? Ja – aber nicht genug

Immerhin gibt es einen Lichtblick: Die durchschnittlichen Schadstoffwerte in Städten wie Marseille, Aix-en-Provence, Nizza und Avignon sind in den letzten zehn Jahren gesunken. Das zeigt, dass Verbesserungen möglich sind. Aber reicht das?

Respire fordert entschiedenere Maßnahmen, um die Luftqualität an Schulen drastisch zu verbessern. Dazu gehören:

Verkehrsberuhigung und autofreie Zonen vor Schulen
Bessere öffentliche Verkehrsmittel als Alternative zum Auto
Mehr Bewusstsein für das Problem, etwa durch Informationskampagnen
Elektrifizierung von Hafengebieten, damit Schiffe nicht im Hafen Dieselabgase ausstoßen

Das sind sinnvolle Schritte – doch sie müssen schneller umgesetzt werden. Jede Verzögerung bedeutet, dass weitere Kinder mit schlechter Luft aufwachsen.


Eltern, Lehrer, Politik – wer übernimmt Verantwortung?

Die Daten liegen auf dem Tisch. Die Gesundheitsrisiken sind bekannt. Doch wo bleibt die große Veränderung?

Luftverschmutzung ist kein abstraktes Problem, sondern eine Frage des politischen Willens. Städte wie Paris oder Barcelona zeigen, dass Maßnahmen wie autofreie Innenstädte, grüne Schulhöfe oder emissionsfreie Busse funktionieren. Warum also nicht in Marseille, Nizza oder Cannes?

Die Frage ist nicht, ob gehandelt werden sollte, sondern wie schnell.


Ein Aufruf zum Handeln

Am Montag, dem 17. März, organisierte Respire eine Kundgebung vor der École Franklin-Roosevelt in Marseille. Eltern, Lehrer und Anwohner waren aufgerufen, sich zu beteiligen.

Es geht um mehr als Zahlen und Statistiken – es geht um saubere Luft für Kinder. Und das sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein.

Von Andreas M. B.

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