Tag & Nacht


Wer von einem Häuschen mit Meerblick träumt, findet in der Bretagne oft das perfekte Idyll: wilde Küsten, charmante Dörfer, salzige Luft. Doch was einst als ruhiger Rückzugsort für den Ruhestand oder die Sommerferien gedacht war, entwickelt sich nun zum teuren Luxusgut. Die Steuer auf Zweitwohnungen – einst ein überschaubarer Posten – wird jetzt in vielen bretonischen Gemeinden kräftig nach oben geschraubt. Und das sorgt für Unruhe.

In Orten wie Cancale, Saint-Malo oder Concarneau ist inzwischen fast jede zweite Immobilie eine Zweitwohnung. Die Folge: Viele Häuser stehen einen Großteil des Jahres leer. Für Gemeinden, die unter dem Druck wachsender Einwohnerzahlen, angespannter Mietmärkte und steigender Infrastrukturkosten stehen, ist das mehr als ein Ärgernis – es ist politischer Zündstoff.

Steuerexplosion mit Ansage

Was genau passiert? Über 1.600 Kommunen in Frankreich dürfen inzwischen die Steuer auf Zweitwohnungen deutlich erhöhen – und besonders die Bretagne macht davon fast flächendeckend Gebrauch. Acht von zehn Gemeinden in der Region haben die sogenannte „taxe d’habitation“ für Nebenwohnsitze um mehr als 50 % erhöht. Teilweise wird sogar die maximale Erhöhung von 60 % ausgeschöpft.

Für viele Eigentümer bedeutet das eine empfindliche Mehrbelastung. Was früher vielleicht 800 Euro im Jahr kostete, kann nun locker auf 1.200 oder 1.300 Euro anwachsen – und das jährlich. Für Menschen, die sich ihren Alterswohnsitz in Küstennähe gesichert haben, ist das keine Kleinigkeit.

Doch der Unmut ist nicht nur finanzieller Natur. Viele Eigentümer fühlen sich ungerecht behandelt – schließlich investieren sie nicht selten viel in die Instandhaltung ihrer Häuser, kaufen lokal ein, zahlen ihre Steuern pünktlich. Und dennoch – so empfinden es viele – werden sie nun zur Kasse gebeten, weil sie nicht ganzjährig anwesend sind.

Die andere Seite der Medaille

Die Kommunen hingegen sehen in der Steuererhöhung eine längst überfällige Maßnahme. Ziel ist es, leerstehende Immobilien zu aktivieren, mehr Wohnraum für Einheimische zu schaffen und gleichzeitig die kommunalen Haushalte zu entlasten. Die Einnahmen – so die Argumentation – fließen direkt in Projekte vor Ort: neue Kindergärten, Verkehrsnetze, Sozialwohnungen.

In manchen Orten sprechen die Bürgermeister sogar von einer „notwendigen Gerechtigkeitskorrektur“. Warum sollte jemand, der nur zwei Monate im Jahr anwesend ist, weniger zum Gemeinwesen beitragen als eine Familie, die das ganze Jahr über hier lebt, einkauft, arbeitet, ihre Kinder zur Schule bringt?

In der Praxis allerdings bleibt die Wirkung der Steuer umstritten. Nur wenige Eigentümer entscheiden sich deshalb, ihre Immobilie dauerhaft zu vermieten oder gar zu verkaufen. Viele nehmen die Mehrkosten zähneknirschend in Kauf – aus Liebe zur Region oder mangels Alternativen.

Tourismus als zweischneidiges Schwert

Gerade in der Bretagne, wo der Tourismus ein essenzieller Wirtschaftsfaktor ist, wirkt die Maßnahme paradox. Die Region lebt von ihren Gästen – doch genau die trifft es nun härter. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten kann das schnell zum Bumerang werden: Wer mehr fürs Haus zahlt, gibt vielleicht weniger im Restaurant, Bäcker oder Laden aus. Der Effekt auf die lokale Wirtschaft ist schwer kalkulierbar.

Und dann ist da noch die Frage, wie viel Druck der Markt eigentlich verträgt. Wenn immer mehr Gemeinden ihre Steuerpolitik verschärfen, könnten sich potentielle Käufer irgendwann abwenden – nicht aus Protest, sondern aus nüchterner Kosten-Nutzen-Abwägung.

Ein Balanceakt mit offenem Ausgang

Die bretonische Steuerpolitik ist ein spannendes Experiment im Spannungsfeld zwischen sozialer Gerechtigkeit, Finanzierungsnotwendigkeit und wirtschaftlicher Attraktivität. Wird es gelingen, damit Wohnraum zurückzugewinnen und die Kommunen zu stärken? Oder führt die Maßnahme langfristig zur Entfremdung zwischen Einheimischen und Teilzeitbewohnern?

Fakt ist: Der Küstentraum bleibt – aber er kostet.

Und man fragt sich unwillkürlich: Wie viel ist uns das Meeresrauschen am Ende wirklich wert?

Von C. Hatty

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