Tag & Nacht

Stell dir vor, du gehst zum Arzt oder zur Hebamme und bekommst kein Rezept für Medikamente, sondern für einen Korb voller Bio-Früchte und -Gemüse. Genau das bietet die „grüne Verordnung“, eine Initiative der Stadt Straßburg, die im November 2022 ins Leben gerufen wurde. Diese innovative Idee hat inzwischen das Interesse vieler weiterer Städte in Frankreich geweckt.

Gesunde Ernährung während der Schwangerschaft

Die „grüne Verordnung“ hat ein klares Ziel: Schwangeren Frauen während ihrer Schwangerschaft gesunde, regionale Bio-Produkte zur Verfügung zu stellen – und das kostenlos. Jede Woche bekommen die Frauen, je nach Einkommen, für zwei bis sieben Monate einen Korb mit drei Kilo Bio-Früchten und -Gemüse. Das Angebot umfasst saisonale Produkte von lokalen Landwirten.

Warum das Ganze? Eine gesunde Ernährung während der Schwangerschaft ist entscheidend für die Gesundheit des ungeborenen Kindes und der Mutter. Doch hier hört der Nutzen nicht auf. Durch die Umstellung auf frische und biologische Produkte hoffen die Initiatoren, dass die Frauen nach der Schwangerschaft nicht mehr auf verarbeitete oder minderwertige Lebensmittel zurückgreifen möchten. Denn wer einmal die Frische eines lokalen Kürbisses gekostet hat, dem fällt es schwer, wieder zu Dosengemüse zurückzukehren.

Der Kampf gegen gefährliche Chemikalien

Der Hauptgrund, warum Bio-Produkte im Fokus stehen, ist die Bekämpfung sogenannter endokriner Disruptoren. Diese Chemikalien, die in vielen alltäglichen Produkten stecken, stören das Hormonsystem und können ernsthafte gesundheitliche Schäden verursachen – wie Krebs oder Wachstumsstörungen. Besonders gefährdet sind schwangere Frauen und ihre ungeborenen Kinder.

Endokrine Disruptoren finden sich überall: in Plastikverpackungen, in verarbeiteten Lebensmitteln, in Reinigungsmitteln und sogar im Spielzeug von Kindern. Genau hier setzt die „grüne Verordnung“ an. Bio-Produkte enthalten weniger dieser gefährlichen Chemikalien, und die Empfängerinnen des Programms erhalten zusätzlich Schulungen, wie sie solche Schadstoffe im Alltag vermeiden können – etwa, indem sie aggressiven Reiniger durch natürliche Alternativen wie Essig oder Marseiller Seife ersetzen.

Ein politischer Akt

Das Programm ist nicht nur ein Gesundheitsprojekt, sondern auch eine bewusste politische Entscheidung. Die Stadt Straßburg investiert aktiv in die Gesundheit ihrer Bürgerinnen und in eine umweltfreundlichere Landwirtschaft. Für 2024 plant die Stadt, das Programm auf 1.500 Frauen auszuweiten. Diese Ausweitung kostet jährlich etwa 640.000 Euro. Klingt viel? Die Befürworter argumentieren, dass diese Summe im Vergleich zu den Einsparungen im Gesundheitswesen gering ist – langfristig könnten Krankheitskosten reduziert werden, indem die Belastung durch schädliche Stoffe gesenkt wird.

Die grüne Abgeordnete Sandra Regol ist von dieser Idee so überzeugt, dass sie im Oktober 2024 einen Gesetzesvorschlag in die französische Nationalversammlung eingebracht hat. Ihr Ziel ist es, das Programm landesweit einzuführen. Sie plant außerdem, einen Änderungsantrag im kommenden Haushaltsplan vorzulegen, um die Finanzierung sicherzustellen.

Nationale Umsetzung: Ein realistisches Ziel?

Doch wie realistisch ist es, dass die „grüne Verordnung“ in ganz Frankreich umgesetzt wird? Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Lage und den Sparplänen der Regierung dürfte es schwierig werden, die nötigen finanziellen Mittel auf nationaler Ebene zu mobilisieren. Das französische Staatsbudget steht unter enormem Druck, und es wurden gerade erst weitere Sparmaßnahmen vorgestellt. In diesem Kontext könnte es für die Regierung schwierig sein, ein neues Projekt zu finanzieren – selbst wenn es langfristig Gesundheitskosten senken könnte.

Lokales Interesse wächst

Auf kommunaler Ebene sieht es hingegen anders aus: Immer mehr Städte zeigen Interesse an dem Modell aus Straßburg. Darunter befinden sich vor allem linksgerichtete und ökologische Städte wie Paris, Rennes, Lyon, La Rochelle oder Lons-le-Saunier. Diese Städte teilen die Überzeugung, dass die „grüne Verordnung“ nicht nur der Gesundheit dient, sondern auch ein Beitrag zum Umweltschutz und zur Unterstützung der lokalen Landwirtschaft ist.

Diese zunehmende Unterstützung zeigt, dass das Programm vor allem eine politische Entscheidung ist. Städte, die von links-grünen Koalitionen regiert werden, sehen in der „grünen Verordnung“ eine Chance, ihre politischen Ziele in den Bereichen Gesundheit und Umweltschutz umzusetzen. Für sie ist es mehr als nur ein Gesundheitsprojekt – es ist ein Modell für eine gerechtere und nachhaltigere Gesellschaft.

Blick in die Zukunft

Ob das Programm in den kommenden Jahren landesweit umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. Sicher ist jedoch, dass immer mehr Menschen und Kommunen auf den Zug aufspringen. Denn die Idee, mit einer gesunden Ernährung nicht nur die Gesundheit der nächsten Generation zu verbessern, sondern gleichzeitig auch die Umwelt zu schützen, ist ein starker Antrieb.

Und wer weiß – vielleicht greifen auch andere Länder bald dieses Konzept auf. Klar ist: Die „grüne Verordnung“ aus Straßburg könnte der Anfang einer weitreichenden Bewegung sein.


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