Tag & Nacht


Der Triumph des demokratischen Sozialisten Zohran Mamdani bei der Bürgermeisterwahl in New York City ist mehr als ein lokales Ereignis – er trifft Präsident Donald Trump an einem empfindlichen Punkt: in seiner Heimatstadt, zu einem Zeitpunkt politischer Schwäche, und getragen von einer Bewegung, die diametral seinen eigenen Vorstellungen von Amerika widerspricht. Trumps Reaktion fiel entsprechend harsch aus. Noch am Morgen nach dem Wahldebakel machte er den anhaltenden Regierungsstillstand – den längsten „Shutdown“ der US-Geschichte – für die Niederlagen seiner Partei verantwortlich. Doch der politische Schaden geht weit darüber hinaus.

Trumps Erklärungsversuch: Schuld sind die anderen

Mit gewohntem Instinkt für Schuldumlenkung griff Trump zu einem seiner bewährten Narrative: Die Demokraten seien verantwortlich für den Haushaltsstillstand in Washington, der nun auf die Republikaner zurückfalle. „Der Shutdown war ein großer Faktor“, erklärte der Präsident, „die Demokraten agieren wie Kamikazes – bereit, das Land zu blockieren, nur um politisch zu gewinnen.“ Damit versuchte Trump, die Verantwortung für die Wahlschlappen – neben New York auch in Virginia und New Jersey – dem politischen Gegner zuzuschieben.

Doch der Versuch, die Niederlagen als reine Nebenwirkungen eines taktischen Stillstands im Kongress zu definieren, verfängt nur bedingt. Zum einen, weil immer mehr Wähler den Präsidenten persönlich für das politische Klima verantwortlich machen. Zum anderen, weil Mamdanis Wahlsieg in New York nicht als Zufallsprodukt einer kurzfristigen Unzufriedenheit erscheint, sondern als Ausdruck eines strukturellen Wandels im urbanen Amerika.

Mamdanis Sieg als symbolische Demütigung

Dass Zohran Mamdani ausgerechnet in New York siegte – der Stadt, mit der sich Donald Trump über Jahrzehnte als Unternehmer, Medienfigur und Politiker identifizierte –, hat einen besonderen Symbolwert. In seiner Siegesrede nahm Mamdani diesen Umstand direkt auf: „Donald Trump, ich weiß, dass du zusiehst. Es gibt keine Stadt in diesem Land, die besser zeigen kann, wie man dich besiegt, als New York – die Stadt deines Aufstiegs.“ Diese öffentliche Konfrontation mit dem Präsidenten wurde nicht nur von Mamdanis Anhängern, sondern auch in den Medien als bewusste Provokation wahrgenommen – als Kampfansage eines neuen politischen Lagers, das sich zunehmend formiert.

In Mamdani verkörpert sich der Typus eines jungen, urbanen, multiethnischen Politikers, der die alte politische Elite offen herausfordert. Seine Wahl zum ersten muslimischen Bürgermeister der Stadt sowie seine Zugehörigkeit zur demokratisch-sozialistischen Strömung innerhalb der Demokraten senden ein klares Signal: Der politische Gegenentwurf zu Trumps Nationalpopulismus ist nicht nur existent, sondern zunehmend wählbar.

Trumps doppelte Krise: Shutdown und Popularitätsverlust

Zwar versucht der Präsident, mit dem Finger auf das demokratische Lager zu zeigen, doch seine eigene Position ist angeschlagen. Der seit 36 Tagen andauernde „Shutdown“ lähmt nicht nur die Bundesverwaltung, sondern hat auch sichtbare Auswirkungen auf das tägliche Leben von Millionen Amerikanern. Zahlreiche staatliche Leistungen sind eingefroren, Bundesangestellte bleiben ohne Bezahlung, Sicherheitsbehörden arbeiten im Notbetrieb.

Hinzu kommt ein dramatischer Einbruch in Trumps persönlichen Zustimmungswerten: Die Umfragen sehen ihn so unbeliebt wie nie zuvor in seiner zweiten Amtszeit. Besonders unter städtischen Bevölkerungsgruppen, bei jungen Wählern und Minderheiten sinkt seine Unterstützung rapide. In dieser Gemengelage wirkt Mamdanis Wahlsieg wie ein Katalysator – nicht als Ursache, sondern als Symptom einer tiefer liegenden Erosion republikanischer Glaubwürdigkeit in urbanen Zentren.

Die Republikaner in der Defensive

Auch in anderen Bundesstaaten gab es am Wahlabend Rückschläge für die Republikaner. In Virginia konnten die Demokraten das Gouverneursamt zurückgewinnen; in New Jersey verloren Trumps Parteifreunde in mehreren Stadtverwaltungen an progressive Herausforderer. Während Trump das Desaster auf äußere Umstände zurückführt, mehren sich in der Partei Stimmen, die eine strategische Neuorientierung fordern – weg von Konfrontation und Blockade, hin zu lösungsorientierter Politik.

Doch Trumps politische Marke basiert gerade auf dieser Konfrontation. Ein Rückzug von dieser Linie käme einem Eingeständnis des Scheiterns gleich. Und so bleibt dem Präsidenten derzeit nur die Rolle des Angeschlagenen, der sich in Erklärungen flüchtet, während an der Basis eine neue Generation von Politikern beginnt, den Diskurs zu verändern.

Die Wahl Zohran Mamdanis ist daher mehr als eine kommunale Erfolgsmeldung für die amerikanische Linke. Sie ist ein Warnsignal für einen Präsidenten, der sich zunehmend von der politischen Realität entfremdet. Und sie ist ein Zeichen dafür, dass ausgerechnet dort, wo Trump einst seine Karriere begann, nun jene Kräfte erstarken, die sein politisches Projekt grundlegend infrage stellen.

Autor: P. Tiko

Neues E-Book bei Nachrichten.fr







Du möchtest immer die neuesten Nachrichten aus Frankreich?
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!