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„Wüstenbildung? Das passiert doch nur in Afrika oder Asien!“ Diese Annahme ist ein Trugschluss. Die Realität zeigt: Europa ist längst mittendrin im Kampf gegen die Degradierung der Böden. Das wurde auf der COP16 in Riyad (Saudi-Arabien) deutlich, die sich mit dem globalen Problem der Bodenverödung beschäftigt – einer Krise, die inzwischen 40 % der Landflächen weltweit betrifft. Und auch in Europa droht diese Entwicklung, Landschaften und Lebensräume nachhaltig zu verändern.

Doch warum genau ist Europa betroffen? Und was bedeutet das für Länder wie Spanien, Italien oder Frankreich?

Mediterranes Europa im Fokus

Betrachten wir zunächst die südlichen Länder Europas. Spanien – oft als Obst- und Gemüsegarten des Kontinents bezeichnet – hat mit alarmierenden Zahlen zu kämpfen: Über 11 % der spanischen Landfläche, das sind 5,56 Millionen Hektar, gelten bereits als stark degradiert. Städte wie Sevilla oder Córdoba sind umgeben von Gebieten, die zunehmend wüstenähnliche Züge annehmen. Auch Italien und Portugal sind keine Ausnahme. In Italien sind 12,46 % der Böden betroffen, in Portugal 6,13 %.

Warum passiert das? Eine Mischung aus Klimawandel und menschlicher Aktivität treibt die Wüstenbildung voran. Der Klimawandel sorgt für weniger Regen und steigende Temperaturen. Gleichzeitig haben intensive Landwirtschaft, Übernutzung der Böden und der Verlust von organischer Substanz dazu geführt, dass viele europäische Böden regelrecht „ausgelaugt“ sind.

Ein europäisches Problem mit globalen Wurzeln

Wie stark hängt das alles mit dem Klimawandel zusammen? Der sechste Bericht des Weltklimarats (IPCC) zeichnet ein düsteres Bild: Mit einem globalen Temperaturanstieg um 2 °C könnten bis zu 9 % der europäischen Bevölkerung von Wasserknappheit betroffen sein. Besonders stark gefährdet sind Länder rund um das Mittelmeer.

Ein genauer Blick auf die Regionen zeigt: Nicht nur der Süden Europas, sondern auch Teile Frankreichs – wie der Südosten oder die Küstengebiete der Pyrénées-Orientales und der Provence – nähern sich semiariden Bedingungen. Diese Entwicklungen betreffen nicht nur die Landwirtschaft, sondern auch die Wasserversorgung, den Tourismus und die Lebensqualität der Bevölkerung.

Wüstenbildung: Ein schleichender, aber unaufhaltsamer Prozess?

Was passiert eigentlich, wenn Böden veröden? Die Bodenqualität verschlechtert sich, die biologische Vielfalt nimmt ab, und das Land verliert seine Fähigkeit, Wasser zu speichern. Das Resultat: ausgedörrte Landschaften, sinkende Ernteerträge und steigende Umweltflüchtlingszahlen.

Europa ist zwar besser aufgestellt als andere Kontinente, etwa Afrika oder Südamerika, wenn es um die Anpassung an Umweltveränderungen geht. Doch heißt das, dass wir die Krise ignorieren können? Jean-Luc Chotte vom französischen Wissenschaftskomitee zur Wüstenbildung warnt: „Die Situation ist nicht zu unterschätzen.“

Eine rhetorische Frage drängt sich auf: Wenn Europa jetzt schon unter diesen Bedingungen leidet, wie sieht die Zukunft aus, wenn die Emissionen weiter steigen?

Globale Lösungen, lokale Verantwortung

Auf der COP16 in Riyad stehen Maßnahmen wie die Wiederherstellung degradierter Flächen und der Schutz vor Dürrekatastrophen im Fokus. Doch bisher haben nur 78 Länder weltweit ambitionierte Ziele gegen die Bodenverödung formuliert – die meisten europäischen Staaten, einschließlich Frankreich, gehören nicht dazu.

Es wäre leicht, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Doch während in Afrika oft die Existenzgrundlage ganzer Dörfer auf dem Spiel steht, betrifft die Wüstenbildung in Europa oft großflächige Landwirtschaft oder Städte, deren Bewohner vergleichsweise besser abgesichert sind. Diese Unterschiede dürfen aber nicht als Ausrede dienen, untätig zu bleiben.

Was jetzt geschehen muss

Die wissenschaftlichen Erkenntnisse sind eindeutig: Wenn wir nicht umsteuern, steuern wir direkt auf eine Katastrophe zu. Johan Rockström und Ibrahim Thiaw, führende Köpfe in der Forschung zur Boden- und Klimapolitik, sprechen in einem aktuellen Bericht von einer „Klima- und Bodenkrise“, die nur durch einen grundlegenden Wandel in der Landwirtschaft und den Umgang mit natürlichen Ressourcen aufgehalten werden kann.

Europa, mit seinen intensiven landwirtschaftlichen Praktiken, trägt nicht nur die Verantwortung für seinen eigenen Boden, sondern auch für globale Entwicklungen. Maßnahmen wie nachhaltige Bewässerung, der Schutz organischer Bodensubstanz und die Reduktion von Treibhausgasemissionen können dabei helfen, den drohenden Bodenverlust einzudämmen.

Hoffnung durch Zusammenarbeit

Klingt düster? Sicher, aber es gibt auch Lichtblicke. Projekte zur Aufforstung, nachhaltige Agrarinitiativen und der verstärkte Fokus auf klimafreundliche Technologien zeigen, dass Wandel möglich ist – wenn wir uns beeilen.

Eine zweite rhetorische Frage, die wir uns stellen sollten: Warum zögern wir, wenn wir wissen, dass die Lösungen auf dem Tisch liegen?

Es ist an der Zeit, die Ärmel hochzukrempeln – für Europas Böden, für die Landwirtschaft und für kommende Generationen. Denn eines ist klar: Wenn wir nichts tun, wird nicht nur die Erde trockener, sondern auch die Hoffnung auf eine nachhaltige Zukunft verdorrt.


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