Tag & Nacht




In der Nacht ist ein Flugzeug in Paris gelandet.

An Bord: 160 Menschen, zurückgeholt aus einem Gebiet, das immer stärker im Schatten einer möglichen Großeskalation steht.

Israel und der Iran – zwei Erzfeinde, die seit Jahrzehnten auf Konfrontationskurs sind, jetzt aber erstmals offiziell in einen militärischen Schlagabtausch verwickelt wurden. Seit dem 13. Juni herrscht offener Krieg. Frankreich reagiert: mit konkreten Maßnahmen zum Schutz seiner Staatsbürger.

Ein nächtlicher Flug aus Amman

Der Airbus setzte kurz nach Mitternacht auf dem Flughafen Orly bei Paris auf.

Nicht aus Tel Aviv – sondern aus Amman, der Hauptstadt Jordaniens. Denn die Sicherheitslage in Israel erlaubt derzeit kaum planbare zivile Flüge. Die französische Regierung organisierte daher den Umweg über das Nachbarland. Nach dem Eintreffen der Maschine – erschöpfte Gesichter, stille Erleichterung, ein Hauch von Unsicherheit.

Der Außenminister Jean-Noël Barrot hatte zuvor auf X (ehemals Twitter) bestätigt: „160 Franzosen wurden erfolgreich aus Israel zurückgebracht.“

Doch das ist erst der Anfang.

Eine große Gemeinde, ein kleiner Schritt

Frankreich zählt rund 250.000 Staatsangehörige in Israel – viele mit doppelter Staatsbürgerschaft, viele dauerhaft ansässig.

Der Rückflug aus Amman war vor allem für „vulnerable Personen“ gedacht – also ältere Menschen, Familien mit kleinen Kindern, medizinisch gefährdete Personen. Eine Priorisierung, die angesichts der begrenzten Flugkapazitäten notwendig war.

Zwei weitere zivile Flüge sind bereits geplant. Doch weil die Lage vor Ort unübersichtlich ist, greift Frankreich nun auch zu militärischen Mitteln.

Militärische Hilfe auf Abruf

Die Luftwaffe wird aktiviert.

Frankreich setzt das Transportflugzeug A400M ein – ein taktischer Alleskönner, der für Evakuierungseinsätze wie geschaffen ist. Ziel: französische Staatsbürger direkt vom Flughafen Ben Gurion in Israel nach Zypern zu bringen.

Warum Zypern? Weil die Mittelmeerinsel nicht nur geografisch günstig liegt, sondern auch diplomatisch als ruhiger Brückenkopf dient. Von dort können die Rückkehrer sicher weiterreisen – per Schiff oder mit Anschlussflügen.

Die Militärflüge sind jedoch genehmigungspflichtig – sie dürfen nur starten, wenn Israel grünes Licht gibt. Denn Frankreich ist für die Evakuierungen auf die Kooperation der israelischen Behörden angewiesen.

Ein Beschluss auf höchster Ebene

Diese Maßnahmen wurden am Sonntag bei einer Sitzung des Nationalen Verteidigungs- und Sicherheitsrats im Élysée beschlossen – auf direkte Anweisung von Präsident Emmanuel Macron.

Ein Signal, das mehr als nur operativen Charakter hat: Frankreich zeigt damit, dass es sich nicht aus der Verantwortung stiehlt. Weder außenpolitisch – noch im Umgang mit seinen Bürgern.

Macron betonte in den vergangenen Tagen mehrfach, wie angespannt die Lage sei. Die diplomatischen Kanäle laufen heiß, doch ein schnelles Ende des Konflikts ist nicht in Sicht.

Was steckt hinter der Evakuierungsaktion?

Israel und der Iran haben sich in den letzten Wochen offen militärisch gegenseitig angegriffen – Drohnen, Raketen, Luftabwehrsysteme im Dauereinsatz.

Ein Dammbruch?

Viele Analysten sprechen von einem Wendepunkt. Während frühere Auseinandersetzungen meist indirekt über Stellvertreterorganisationen liefen (wie die Hisbollah oder Houthi-Rebellen), steht man sich nun erstmals direkt gegenüber.

Frankreich – und mit ihm viele europäische Staaten – fürchten, dass dieser Konflikt sich auf die gesamte Region ausdehnen könnte. Jordanien, Libanon, der Irak – sie alle stehen geopolitisch unter Druck.

Warum jetzt?

Die Antwort liegt in einer komplizierten Gemengelage aus alten Feindbildern, religiöser Instrumentalisierung und geopolitischen Machtspielen.

Doch der unmittelbare Auslöser war ein massiver Drohnenangriff des Iran auf Israel – eine Reaktion auf israelische Luftschläge gegen iranische Einrichtungen in Syrien.

Seitdem dreht sich die Spirale schneller. Israel antwortete mit Präzisionsschlägen, der Iran droht mit Vergeltung. Dazwischen: Hunderttausende Zivilisten – auch ausländische Staatsbürger wie die nun zurückgeholten Franzosen.

Was bedeutet das für Frankreich – und für Europa?

Frankreichs entschlossene Evakuierungsaktion ist mehr als nur ein logistisches Unterfangen.

Sie ist Teil einer übergeordneten Strategie: Präsenz zeigen, Fürsorge demonstrieren, aber auch bereit sein, in einer eskalierenden Lage schnell zu handeln. In einer Welt, in der Konflikte nicht mehr nur regional bleiben, sondern globale Folgen haben, zählt jedes Zeichen von Handlungsfähigkeit.

Und doch stellt sich eine Frage, die schwer wiegt:

Wie lange kann Europa Zuschauer bleiben, während der Nahe Osten erneut in Flammen steht?

Autor: Daniel Ivers

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