Tag & Nacht




Was passiert, wenn der Himmel zum Gegner wird? Wenn statt ersehnter Frühlingssonne apokalyptische Gewitter mit riesiegen Hagelkörnern über Felder und Dörfer fegen – und alles zerstören, was monatelange Arbeit hervorgebracht hat? Genau das erleben derzeit viele Landwirte in Frankreich. Das Frühjahr 2025 geht jetzt schon als eines der härtesten der jüngeren Geschichte in die Bücher ein.

Die Natur schlägt zurück

Am 19. Mai tobten schwere Unwetter über Südwestfrankreich. Besonders die Departements Tarn und Haute-Garonne wurden heftig getroffen. In Lautrec – eigentlich bekannt für sein zartes rosa Knoblauch-Aroma – herrschte plötzlich Stille und Verzweiflung. Keine Ernte, keine Hoffnung. „Die Hagelkörner haben alles zerfetzt. Manche Landwirte erleben 100 % Verlust“, sagt Gaël Bardou, Präsident des örtlichen Knoblauch-Verbandes.

Ein paar Kilometer weiter, in Saint-Marcet im Comminges, sieht es ähnlich düster aus. Julien Boudou zählt auf, was alles verloren ist: Bohnen, Erbsen, Kartoffeln, Zwiebeln, Salat. Die Felder gleichen einer matschigen Wüste. Und als wäre das nicht schon genug, droht den Pflanzen durch die durchnässten Böden jetzt auch noch ein Anstieg von Krankheiten.

Ernteausfälle – und zwar überall

Nicht nur die Gemüsebauern sind betroffen. Auch in der Region Rhône schlugen die Gewitter erbarmungslos zu. Ein Landwirt bringt es auf den Punkt: „Dieses Jahr ist gelaufen.“ – Kein Getreide, keine Einnahmen, keine Perspektive.

Besonders hart trifft es auch die Obstbauern. Apfel-, Pfirsich-, Kirsch- und Aprikosenbäume sind verwüstet, viele Früchte wurden heruntergeschlagen oder sind unbrauchbar. In einigen Fällen liegt der Verlust bei 80 %. Und die Winzer? Müssen mit nur der Hälfte ihrer Trauben auskommen – eine dramatische Einbuße, die sich sowohl im Keller als auch im Glas bemerkbar machen wird.

Ein wirtschaftlicher Albtraum

Die Bilanz ist verheerend. Hunderte Millionen Euro Verluste. Viele Betriebe stehen kurz vor dem Bankrott, weil sie nicht nur ihre Erträge verlieren, sondern auch für neue Aussaat, Reparaturen und Schutzmaßnahmen aufkommen müssen.

In den Yvelines schildert Landwirt Christophe Robin die Lage: „Der Hagel hat den Weizen einfach abgerissen. Alles liegt jetzt auf dem Boden.“ Die Kassen sind leer, das Konto im Minus. Die Hoffnung liegt – wie so oft – auf dem Staat. Doch ob dieser schnell und angemessen hilft, bleibt ungewiss.

Ein Klima, das aus dem Ruder läuft

Zunehmende Unwetter, extreme Niederschläge, Temperaturschwankungen – das alles ist längst kein Zufall mehr. Der Klimawandel macht sich breit. Und die Landwirtschaft, die ohnehin ständig unter Wetterrisiken leidet, ist eines der ersten Opfer.

Hagelstürme wie dieser zeigen schonungslos, wie verletzlich unsere Nahrungsproduktion ist. Zwar gibt es technische Schutzmaßnahmen – wie Hagelnetze oder spezielle Kanonen, die das Wetter manipulieren sollen –, doch ihre Wirkung ist umstritten und sie sind teuer.

Staatliche Hilfen wie die „Indemnisation de Solidarité Nationale“ greifen oft nur teilweise. Was nützt eine Entschädigung, wenn sie den tatsächlichen Schaden nur zu einem Bruchteil deckt?

Neue Wege – jetzt oder nie

Was also tun? Einfach weitermachen wie bisher? Unmöglich. Frankreichs Agrarpolitik muss dringend neu gedacht werden. Mehr Unterstützung für Versicherungen gegen Klimarisiken, Investitionen in wetterfeste Infrastrukturen, Förderung nachhaltiger, widerstandsfähiger Anbaumethoden – das alles sind Schritte in die richtige Richtung.

Was aber oft übersehen wird: Die Kraft der Gemeinschaft. In Aurignac helfen sich Landwirte gegenseitig – sie teilen Saatgut, Maschinen, Arbeitskraft. Solche Solidarität kann Leben retten – und Betriebe.

Denn eines ist sicher: Die Landwirtschaft ist kein romantisches Idyll auf Instagram. Sie ist das Fundament unserer Ernährung. Und wenn sie fällt, fällt mehr als nur eine Branche.

Autor: Andreas M. Brucker

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