Papst Franziskus ist tot. Am Morgen des 21. April 2025 starb er im Alter von 88 Jahren. Mit ihm endet ein Kapitel der katholischen Kirchengeschichte, das geprägt war von mutigen Reformversuchen, offenen Worten und der unermüdlichen Suche nach Nähe zu den Menschen.
Jorge Mario Bergoglio war vieles – aber gewöhnlich war er nie. Als erster südamerikanischer Papst, erster Jesuit im höchsten Amt der Kirche und eine Persönlichkeit, die mit ihrer Authentizität auffiel, hat er sich tief in das kollektive Gedächtnis eingeprägt. Seine Reise begann in den Arbeitervierteln von Buenos Aires und führte ihn – eher überraschend – auf den Stuhl Petri.
Seine Wahl am 13. März 2013 war ein Paukenschlag. Ein Kardinal vom anderen Ende der Welt, der keinen Karrierepfad durch die vatikanischen Gänge beschritt, sondern durch die Straßen seiner Heimatstadt. Schon bei seinem ersten öffentlichen Auftritt verzichtete er demonstrativ auf liturgische Pracht – das war mehr als nur symbolisch.
Ein Hirte mit Vergangenheit
Franziskus’ Biografie ist nicht frei von Schatten. Während der argentinischen Militärdiktatur in den 1970er Jahren war er Provinzial der Jesuiten – und geriet später wegen seines Verhaltens in jener Zeit unter Druck. Es wurden Stimmen laut, die ihm Passivität oder gar Komplizenschaft vorwarfen. Bergoglio selbst beteuerte stets, er habe versucht, Leben zu retten, nicht wegzusehen. Die argentinische Justiz sprach ihn frei.
Doch es war nicht der Skandal, der ihn prägte – es war seine Nähe zum Leid. In den armen Vierteln von Buenos Aires lernte er das Elend aus nächster Nähe kennen. Er begegnete Menschen, für die Glaube oft die letzte Hoffnung war. Und genau diese Erfahrung sollte zu seinem Markenzeichen werden.
Ein Papst ohne Allüren
Der „Papst der Armen“ nannte man ihn bald. Ein Mann mit schelmischem Lächeln, einer Schwäche für Fußball und Humor – aber auch mit klarer Kante. Statt im apostolischen Palast lebte er in einem schlichten Gästehaus. Er teilte seine Mahlzeiten mit Obdachlosen und Gefangenen. Er verzichtete auf den goldenen Prunk, der so vielen seiner Vorgänger anhaftete.
Gleichzeitig sprach er unbequeme Wahrheiten aus. Bei seinen Reisen – etwa nach Lampedusa oder Lesbos – prangerte er das Leiden der Geflüchteten an. Seine Worte trafen: „Die Globalisierung der Gleichgültigkeit“ war einer seiner wohl schärfsten Begriffe. Und seine Kritik an Donald Trumps Migrationspolitik ließ nicht lange auf sich warten.
Reformen und Widerstände
Innerhalb der Kirche setzte er Reformen in Gang, die vielen nicht weit genug gingen – und anderen viel zu weit. Er wollte eine Kirche, die sich weniger mit Sexualmoral beschäftigt und mehr mit sozialer Gerechtigkeit. Eine Kirche, die ihre Skandale nicht vertuscht, sondern aufarbeitet. Auch wenn er die Dogmen nicht antastete – seine Perspektive war eine andere.
Er verurteilte den Neoliberalismus, warnte vor Umweltzerstörung und sprach sich für eine gerechtere Weltwirtschaft aus. Die Enzyklika „Laudato si‘“ war ein ökologisches Manifest, wie man es von einem Papst kaum erwartet hätte. Auch in Sachen Missbrauchsskandale ging er erste Schritte – etwa mit der Aufhebung des päpstlichen Geheimnisses. Doch Opferverbände forderten weit mehr.
Ein Mann zwischen den Fronten
In seinem Bestreben, die Kirche zu erneuern, wurde er zum Lieblingspapst der einen – und zur Zielscheibe der anderen. Konservative Kräfte im Vatikan, die noch tief in alten Strukturen verankert waren, blockierten immer wieder seine Pläne. Trotzdem blieb Franziskus sich treu. Und so stellte sich mehr als einmal die Frage: Wie viel Veränderung verträgt eine jahrtausendealte Institution?
Seine interreligiösen Bemühungen – etwa der historische Besuch im Irak oder der Dialog mit dem Islam – brachten neue Impulse. Auch mit den orthodoxen Kirchen suchte er die Nähe. Doch politische Konflikte wie der Ukraine-Krieg warfen dunkle Schatten auf diese Fortschritte.
Ein bleibendes Vermächtnis
Papst Franziskus war ein Papst, der nicht über den Dingen schwebte – sondern mittendrin stand. Einer, der Menschen auf Augenhöhe begegnete. Einer, der kein Heiliger war – aber ein glaubwürdiger Zeuge christlicher Hoffnung.
Mit seinem Tod endet ein Pontifikat, das die Kirche aufgerüttelt hat. Nicht revolutionär, aber nachhaltig. Seine Worte, sein Stil, seine Gesten – sie haben Spuren hinterlassen.
Ob die Kirche seinem Kurs weiter folgt, wird sich zeigen. Doch eines ist sicher: Der Papst aus Buenos Aires hat das Papsttum neu definiert – menschlicher, bescheidener, näher an der Realität der Menschen.
Autor: Andreas M. Brucker
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