Tag & Nacht

Hitze – unsichtbar, doch gnadenlos. In Südsudan hat die jüngste Hitzewelle nicht nur den Alltag erschwert, sondern auch bestehende Ungleichheiten verstärkt. Besonders Frauen und Mädchen trifft die extreme Hitze mit voller Wucht.

Ein Land im Ausnahmezustand

Seit Mitte Februar leidet Ostafrika unter einer massiven Hitzewelle, und Südsudan gehört zu den am stärksten betroffenen Regionen. Rekordtemperaturen haben das Leben dort zur Qual gemacht, vor allem für jene, die im Freien arbeiten oder in einfachen Blechhütten ohne Kühlung wohnen. Und das ist – fast die gesamte Bevölkerung.

Der Hitzeschock zeigte sich drastisch: Als in Juba Dutzende Kinder mit Hitzschlag zusammenbrachen, wurden ab dem 20. Februar landesweit alle Schulen für zwei Wochen geschlossen. Die Regierung rief dazu auf, drinnen zu bleiben und viel zu trinken – doch für viele ist das schlicht unmöglich. Häuser mit Wellblechdächern heizen sich wie Backöfen auf, viele Haushalte haben weder Strom noch fließendes Wasser. Ein Drittel der Menschen in Juba hat keinen Zugang zu sauberem Wasser. Und Schatten? Gerade einmal ein Prozent der Stadtfläche bietet Grünflächen, wo Menschen sich vor der gnadenlosen Sonne schützen könnten.

Hitzewellen sind in vielen Fällen tödlicher als andere Extremwetterereignisse – und das oft unbemerkt. Die Zahl der Hitzetoten bleibt meist unbekannt, da Todesfälle nicht systematisch erfasst werden. Doch die Auswirkungen reichen weit über Todesfälle hinaus: Krankheiten, Ernteausfälle, Infrastrukturschäden und wirtschaftliche Verluste hinterlassen tiefe Spuren.

Frauen und Mädchen tragen die Hauptlast

Die bereits bestehenden Geschlechterungleichheiten verschärfen sich durch die extreme Hitze weiter. Frauen und Mädchen in Südsudan haben ohnehin schlechtere Bildungschancen, weniger ökonomische Möglichkeiten und ein höheres Risiko gesundheitlicher Probleme. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache:

  • Die Müttersterblichkeit liegt bei erschreckenden 1.223 Todesfällen pro 100.000 Geburten.
  • Nur 29 % der Frauen können lesen und schreiben – im Vergleich zu 40 % der Männer.
  • Frauen halten nur 32 % der Sitze im nationalen Parlament.
  • 95 % der berufstätigen Frauen arbeiten im informellen Sektor, meist ohne soziale Absicherung.

Besonders betroffen sind Frauen in der Landwirtschaft und im Straßenhandel – Berufe, die mit massiver Hitzeexposition einhergehen. Dazu kommt die Doppelbelastung durch unbezahlte Care-Arbeit: Wasser holen, Kochen in überhitzten Räumen, Kinder betreuen. 60 % ihrer Zeit verbringen Frauen mit diesen Tätigkeiten, oft unter extremen Bedingungen. Kein Wunder also, dass sie häufiger an Hitzeerschöpfung, Kreislaufproblemen und Nierenschäden leiden.

Bildung und Hitze: Ein Teufelskreis

Als die Schulen schlossen, standen viele Mädchen vor einer schweren Entscheidung. Denn je länger sie dem Unterricht fernbleiben, desto größer die Gefahr, dass sie nie zurückkehren. Oft erwartet die Familie, dass sie während der Schulschließung mehr im Haushalt helfen oder früh verheiratet werden.

Bildungsexperten schlagen einfache, aber wirksame Lösungen vor: Der Unterricht könnte so umgestaltet werden, dass er die heißesten Stunden des Tages meidet. Auch bauliche Maßnahmen helfen – etwa weiße Dächer, die die Hitze reflektieren, oder mehr Schatten spendende Bäume auf dem Schulgelände. Und: Lehrer sollten geschult werden, um Anzeichen von Hitzestress frühzeitig zu erkennen und erste Hilfe zu leisten.

Hunger, Flucht und Gewalt – der Teufelskreis der Hitze

Schon jetzt leiden 860.000 Kinder unter fünf Jahren in Südsudan an Mangelernährung. Die extreme Hitze verschärft das Problem: Ernteausfälle treiben die Lebensmittelpreise in die Höhe, und wer ohnehin schon geschwächt ist, kann Hitze schlechter verkraften. Besonders hart trifft es Haushalte, die von Frauen geführt werden. Ohne geregeltes Einkommen bleibt oft nicht genug Geld für Nahrung und medizinische Versorgung.

Auch die Flüchtlingssituation macht alles noch schlimmer. Über 1,1 Millionen Menschen leben aufgrund von Konflikten in überfüllten Notunterkünften. Dort fehlt es an Wasser, Kühlung und medizinischer Versorgung – eine lebensbedrohliche Kombination. Und dann ist da noch ein anderes Problem: In den Flüchtlingslagern sind Frauen besonders gefährdet, Opfer von Gewalt zu werden.

Klimawandel als Brandbeschleuniger

Eigentlich sind die höchsten Temperaturen in Südsudan erst später im Jahr zu erwarten. Doch der Klimawandel hat die Spielregeln geändert.

Die globale Durchschnittstemperatur ist bereits um 1,3 Grad Celsius gestiegen – und das macht sich bemerkbar. Die jüngste Hitzewelle wäre in einer um 1,3 Grad kühleren Welt extrem unwahrscheinlich gewesen. Stattdessen sind solche Ereignisse heute zehnmal wahrscheinlicher und um mindestens 2 Grad heißer als in der Vergangenheit. Klimamodelle zeigen sogar, dass die Realität oft noch schlimmer ist, als vorhergesagt.

Und die Zukunft? Wenn sich die Erde um 2,6 Grad erwärmt – ein Szenario, auf das wir derzeit zusteuern – werden solche Hitzewellen noch häufiger und intensiver auftreten.

Was hilft – und was nicht?

Groß angelegte Anpassungsmaßnahmen sind eine Herausforderung, aber es gibt Wege, die Hitze erträglicher zu machen. Praktische Lösungen könnten sein:

  • Mehr Zugang zu sauberem Wasser: Trinkwasser ist überlebenswichtig, doch vielerorts Mangelware.
  • Mehr Schatten und Kühlräume: Besonders in Flüchtlingscamps und Slums müssen mehr kühle Zufluchtsorte geschaffen werden.
  • Bessere Unterkünfte: Im Ajuong-Thok-Flüchtlingslager, wo über 40.000 Menschen – vor allem Frauen – leben, zeigen neue Baukonzepte, dass klimafreundliche Unterkünfte einen Unterschied machen.
  • Unterstützung für Frauen in der Landwirtschaft: Hitzeresistente Anbaumethoden helfen, Ernteverluste zu minimieren.
  • Bessere Arbeitsrechte für Freiluftarbeiterinnen: Ohne Schutzmaßnahmen werden viele Frauen durch die Hitze dauerhaft gesundheitlich geschädigt.

Und nicht zu vergessen: Frühwarnsysteme für Hitzewellen. Die regionale Organisation IGAD entwickelt bereits Warnmechanismen – doch sie müssen auch wirklich die Menschen erreichen, die sich schützen müssen.

Fazit? Keine Zeit zu verlieren!

Die Hitzewelle in Südsudan ist mehr als nur eine Wetterkapriole – sie ist ein Symptom der Klimakrise und ein Brennglas für soziale Ungleichheiten. Frauen und Mädchen stehen dabei an vorderster Front, mit geringeren Ressourcen, aber der größten Belastung.

Die Wissenschaft zeigt klar: Der Klimawandel ist die treibende Kraft hinter diesen Extremen. Doch statt zu resignieren, müssen wir handeln. Anpassung ist möglich – und notwendig. Denn Hitze wird bleiben. Die Frage ist nur: Lassen wir sie uns einfach überrollen oder gestalten wir eine widerstandsfähigere Zukunft?

Von Andreas M. B.

Lesen Sie dazu: https://www.worldweatherattribution.org/women-and-girls-continue-to-bear-disproportionate-impacts-of-heatwaves-in-south-sudan-that-have-become-a-constant-threat/ (englisch)

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