Wenn der Himmel seine Schleusen öffnet und das Wasser in Strömen durch die Straßen rauscht, zeigt sich wahre Nachbarschaft. Genau das geschah in der Nacht vom 6. auf den 7. Juni im französischen Département Ain – und zwar mit einer Wucht, die den Atem stocken ließ.
Der Revermont und das Tal des Suran wurden hart getroffen. In wenigen Minuten verwandelten sich ruhige Dörfer in kleine Katastrophengebiete – mit reißenden Bächen in Wohnstraßen, zerstörtem Asphalt und vollgelaufenen Kellern.
Ein Albtraum aus Wasser und Wind
Bereits am Nachmittag hatte Météo-France Alarm geschlagen: Wetterwarnung Orange für das gesamte Département. Erwartet wurden sintflutartige Regenfälle, stürmische Windböen von über 80 km/h und großkörniger Hagel. Was zunächst wie eine typische Sommerwarnung klang, wurde zur bitteren Realität.
Innerhalb von nur 30 Minuten fielen stellenweise bis zu 30 Millimeter (30 Liter/m2) Regen. Für das Auge kaum fassbar, für die Kanalisation untragbar. In mehreren Gemeinden kam es zu Sturzfluten – und die Erde rutschte. Schlamm, Geröll und Wasser bahnten sich unaufhaltsam ihren Weg.
Journans – der Ort, der fast im Wasser versank
Am schlimmsten traf es das kleine Journans. Ein Dorf, das sonst für seine Ruhe und Schönheit bekannt ist, stand plötzlich knietief im Chaos. Die Bewohner wurden aus dem Schlaf gerissen – nicht von Donner, sondern vom plötzlichen Gurgeln unter ihren Füßen. Das Wasser stieg rasant. Straßen wurden zu Flüssen, Gullydeckel zu Springbrunnen.
Der Asphalt wurde an manchen Stellen einfach weggerissen. Die Feuerwehr war im Dauereinsatz – allein in Journans rückten die Einsatzkräfte über 30 Mal aus. Doch die wahre Heldengeschichte schrieb das Dorf selbst.
Wenn Nachbarn zu Helden werden
Patrice, Landwirt und Gemeinderat, brachte es auf den Punkt: „Es war überall Wasser – da hilft man sich eben.“ Und so war es. Noch in der Nacht begannen die ersten, den Schlamm von den Straßen zu schippen, Nachbarn zu evakuieren, Sandsäcke zu schleppen. Es war kein offizieller Aufruf nötig – der Instinkt reichte.
Was dabei half? Wahrscheinlich ein Mix aus Landverbundenheit, Dorfstolz und ganz viel Herzblut.
Auch Tossiat, Rignat und Hautecourt-Romanèche blieben nicht verschont
In Tossiat standen gleich mehrere Häuser unter Wasser. In Rignat mussten Familien ihre Wohnungen verlassen. In Hautecourt-Romanèche koordinierte ein eigens eingerichteter Krisenstab die Notmaßnahmen – von der Versorgung Betroffener bis hin zur Koordination der Notunterkünfte.
Etwa 15 Gebäude wurden als so stark beschädigt eingestuft, dass ein Verbleib darin vorerst nicht möglich war. Für die betroffenen Familien eine harte Prüfung – doch auch hier stand die Hilfsbereitschaft im Mittelpunkt.
Vorbereitung trifft auf Wetterlaune
Die Behörden hatten getan, was sie konnten. Frühzeitige Warnungen, klare Handlungsanweisungen, Notfallpläne. Und doch – gegen die rohe Gewalt der Natur ist manchmal eben kein Kraut gewachsen. Was bleibt, ist die Erkenntnis: Ohne diese gut vorbereiteten Strukturen und ohne den Einsatzwillen der Menschen hätte es ganz anders ausgehen können.
Klima, Katastrophen und Konsequenzen
Natürlich stellt sich die Frage: War das ein Einzelfall? Die traurige Antwort: wohl kaum. Mit dem sich wandelnden Klima steigen die Extremwetterereignisse. Regionen, die früher als sicher galten, werden plötzlich zu Brennpunkten. Sturzfluten, wie sie früher alle paar Jahrzehnte auftraten, werden heute fast zur Routine.
Doch genau deshalb braucht es nicht nur Sandsäcke und Sirenen, sondern eine langfristige Anpassung – von der Stadtplanung über die Infrastruktur bis hin zur Förderung ökologischer Landwirtschaft und nachhaltiger Wasserspeicherung.
Ein Lichtblick in dunkler Nacht
So verheerend das Unwetter auch war – es hat gezeigt, wie stark Gemeinschaft sein kann. Wie Menschen über Nacht zu Helfern werden, wie schnell sich Organisation entfaltet, wenn jeder zupackt. Es war keine glanzvolle Rettungsaktion von oben, sondern eine stille Heldengeschichte an der Basis.
Und vielleicht ist das die größte Erkenntnis dieser Nacht: Wenn wir gemeinsam handeln – gegen Wetter, Krisen oder Katastrophen – dann sind wir allem gewachsen. Oder wie eine Bewohnerin aus Journans es formulierte: „So was will keiner erleben – aber zu wissen, dass man nicht allein ist, macht es erträglicher.“
Von Andreas M. B.
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