Tag & Nacht




Wer wird der nächste Papst? Diese Frage zieht regelmäßig die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf sich – und doch kennt kaum jemand die genauen Abläufe hinter den Mauern des Vatikans. Das Konklave, jene streng geheime Versammlung der Kardinäle zur Wahl des Papstes, ist mehr als nur eine Zeremonie: Es ist ein jahrhundertealtes Ritual voller Symbolik, Macht und Geschichte.

Mit Schlüssel – „cum clave“

Der Begriff „Konklave“ stammt aus dem Lateinischen und bedeutet wörtlich „mit Schlüssel“. Das ist kein Zufall. Die Kardinäle, die einen neuen Papst wählen, werden nämlich regelrecht eingeschlossen – von der Außenwelt abgeschottet, ohne Handys, Internet oder Medien. Kein Kontakt nach draußen. Warum dieser Aufwand?

Die Idee dahinter ist alt – und durchaus pragmatisch.

Im 13. Jahrhundert und davor zog sich die Papstwahl manchmal über Jahre. Insbesondere das Konklave von 1268 bis 1271 in Viterbo, das unglaubliche 33 Monate dauerte, gilt als unrühmliches Beispiel. Während die Kardinäle sich nicht auf einen Kandidaten einigen konnten, wuchs der Druck auf sie. Schließlich verschloss man sie regelrecht im Versammlungssaal, reduzierte ihr Essen auf Brot und Wasser – und siehe da, ein Papst wurde gewählt.

Damit solche Peinlichkeiten künftig vermieden werden, führte Papst Gregor X. 1274 verbindliche Regeln ein. Fortan mussten sich die wahlberechtigten Kardinäle zu einem Konklave zurückziehen – hinter verschlossenen Türen.

Der Ablauf: Vom Einzug bis zum weißen Rauch

Wenn ein Papst stirbt oder – wie zuletzt bei Benedikt XVI. – zurücktritt, beginnt zunächst die sogenannte Sedisvakanz, die „Leere des Stuhls Petri“. In dieser Zeit ruht die Amtsgewalt des Papstes. Die Kirche wartet – und bereitet sich gleichzeitig auf den wichtigsten Akt ihrer Verfassung vor.

Dann ist es so weit: Die Kardinäle reisen nach Rom. Dort findet im Petersdom eine letzte feierliche Messe statt. Anschließend ziehen sie in die Sixtinische Kapelle ein, diesen ikonischen Ort mit Michelangelos berühmtem Deckenfresko – und ab diesem Moment gilt: „extra omnes“ – alle anderen raus.

Was folgt, ist ein strikter Tagesablauf: Gebet, Diskussionen, geheime Wahlgänge. In der Regel zwei pro Vormittag, zwei am Nachmittag. Damit ein Kandidat Papst wird, braucht er eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Die Wahlzettel werden handschriftlich ausgefüllt, eingesammelt, gezählt – und am Ende verbrannt.

Aus dem Kamin auf dem Dach der Kapelle steigt Rauch auf. Schwarz, wenn die Wahl erfolglos war. Weiß, wenn ein neuer Papst gefunden wurde. Dann ist der Jubel in Rom – und weltweit – groß.

Wer darf wählen?

Wahlberechtigt sind alle Kardinäle, die jünger als 80 Jahre sind. Ihre Zahl liegt derzeit bei etwas über 130 – Männer aus allen Teilen der Welt, von Afrika bis Asien, von Lateinamerika bis Europa. Dabei gilt: Die Mehrheit stammt oft aus Regionen, in denen die Kirche besonders stark oder wachsend ist.

Die Wahl selbst ist ein geistlicher Akt, keine politische Wahl im herkömmlichen Sinn. Dennoch spielen Machtverhältnisse, Netzwerke und persönliche Überzeugungen natürlich eine Rolle. Es gibt konservative Strömungen und reformorientierte Kardinäle, Traditionalisten und Brückenbauer.

Ein bisschen erinnert das Ganze an eine Mischung aus Gebetsgemeinschaft, Geheimbund und Weltkongress.

Was steht auf dem Spiel?

Die Wahl eines neuen Papstes ist ein kirchenpolitisches Ereignis mit globalem Echo. Der Pontifex ist nicht nur geistliches Oberhaupt von über einer Milliarde Katholiken – er hat auch Einfluss auf ethische Debatten, Menschenrechtsfragen, diplomatische Prozesse. Seine Stimme wiegt schwer.

Der künftige Papst steht dabei vor gewaltigen Aufgaben: Die Kirche ringt mit der Aufarbeitung von Missbrauchsskandalen, der Frage nach der Rolle der Frau, dem Priestermangel und dem Verhältnis zu anderen Religionen. Hinzu kommt die Herausforderung, junge Menschen wieder für den Glauben zu gewinnen.

Und nicht zuletzt muss der neue Papst auch persönlich überzeugen – durch Integrität, Bescheidenheit, Charisma.

Zwischen Mystik und Moderne

So archaisch das Konklave auch wirken mag – es ist ein bemerkenswerter Beweis für die Kontinuität kirchlicher Tradition. Über Jahrhunderte hinweg hat sich das Verfahren gehalten, immer wieder leicht angepasst, aber nie grundlegend verändert.

Was regelmäßig zu kuriosen Szenen führ: Man stelle sich vor – Männer in roten Talaren, abgeschottet in einer Kapelle, diskutieren unter strengster Geheimhaltung über die Zukunft der Kirche und der Welt. Und draußen warten Tausende auf das berühmte Rauchzeichen, als ginge es um ein mittelalterliches Orakel.

Ist das nicht irgendwie faszinierend?

Der Blick nach vorn

Mit dem Tod von Papst Franziskus beginnt heute mit dem aktuellen Konklave erneut eine neue Etappe. Wird sein Nachfolger den Reformkurs weiterführen oder kehrt die Kirche zu alten Pfaden zurück? Wer wird die entscheidenden Stimmen auf sich vereinen?

Eines ist sicher: Das Konklave ist weit mehr als eine Wahl. Es ist ein Moment der Besinnung, der Konzentration – und der Hoffnung. Für die Kirche. Für Gläubige auf der ganzen Welt. Und vielleicht auch für eine Gesellschaft, die nach Orientierung sucht.

Denn wer auch immer aus der Sixtinischen Kapelle als neuer Papst hervorgeht – die Welt wird genau hinschauen.

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