Ein lauter Knall, Rauchwolken über dem Hafen Shahid Rajaee, Schreie, Chaos – und ein Land im Schockzustand. Am 26. April 2025 wurde Irans wichtigster Handelshafen durch eine gewaltige Explosion erschüttert, die nach neuesten Angaben mindestens 25 Menschen das Leben kostete und mehr als 750 verletzte. Doch hinter dieser Katastrophe verbirgt sich weit mehr als nur eine tragische Verkettung unglücklicher Umstände.
Was ist wirklich passiert in Bandar Abbas?
Das Herz des iranischen Außenhandels in Flammen
Shahid Rajaee – das wirtschaftliche Rückgrat Irans. Rund 80 Millionen Tonnen Fracht laufen hier jährlich über die Kaikanten. Seine Lage am Persischen Golf, nur einen Steinwurf vom Golf von Hormus entfernt, macht ihn nicht nur für den Iran, sondern auch für den Welthandel von hohem Wert.
Die Explosion? Sie ereignete sich gegen Mittag in einem Containerbereich – ausgerechnet dort, wo Chemikalien gelagert wurden. Die Druckwelle war so stark, dass sie noch auf der 26 Kilometer entfernten Insel Qeschm spürbar war. Das Ausmaß der Zerstörung ist immens – nicht nur für die betroffenen Menschen, sondern auch für die iranische Wirtschaft, die ohnehin unter internationalen Sanktionen ächzt.
Der gefährliche Stoff: Ammoniumperchlorat
Der zentrale Verdacht: Die Explosion wurde durch unsachgemäß gelagertes Ammoniumperchlorat ausgelöst – ein Chemikaliengemisch, das als Festtreibstoff für Raketen verwendet wird. Ironie des Schicksals oder politisches Fanal? Nur wenige Wochen zuvor war eine Lieferung dieser Substanz aus China in den Hafen eingelaufen.
Und genau an dem Tag, an dem die Explosion stattfand, begannen in Oman neue Gespräche zwischen Iran und den USA über das Atomprogramm. Ein Zufall? Die offizielle Lesart lautet ja – aber in geopolitischen Fragen bleibt der Zweifel immer ein treuer Begleiter.
Eine Gesundheitskrise kommt hinzu
So dramatisch die unmittelbaren Opferzahlen sind – die Katastrophe hat auch eine unsichtbare zweite Welle ausgelöst: eine Umwelt- und Gesundheitskrise. Schadstoffe wie Ammoniak und Schwefeldioxid breiteten sich in der Luft aus, die Behörden ordneten Schulschließungen an und riefen die Bevölkerung auf, in ihren Häusern zu bleiben und Schutzmasken zu tragen.
Präsident Masoud Pezeshkian zeigte sich betroffen, ordnete umgehend eine Untersuchung an und entsandte Innenminister Eskandar Momeni zur Koordination der Rettungs- und Aufräumarbeiten. Die Regierung steht unter Druck – auch, weil die Erinnerung an ähnliche Katastrophen noch frisch ist.
Déjà-vu aus Beirut?
Die Explosion von Bandar Abbas weckt unweigerlich Erinnerungen an den verheerenden Vorfall im Hafen von Beirut 2020. Auch dort führte unsachgemäß gelagertes Ammoniumnitrat zu einer der größten nicht-nuklearen Explosionen der Menschheitsgeschichte. Die Parallelen sind beängstigend: Chemikalien, Sicherheitsmängel, Ignoranz gegenüber Warnungen – ein wiederkehrendes Muster.
Wurde in Bandar Abbas nichts aus Beirut gelernt? Offenbar nicht genug. Berichte über mangelhafte Sicherheitsvorkehrungen im Hafen Shahid Rajaee gibt es seit Jahren. Doch oft fehlt es an Konsequenz, an Kontrolle – oder schlicht an politischem Willen, die Missstände zu beheben.
Geopolitisches Pulverfass
Doch die Tragödie ist nicht nur eine Frage der lokalen Sicherheit. Bandar Abbas liegt an einem der brisantesten geopolitischen Knotenpunkte der Welt: dem Golf von Hormus, durch den ein Drittel des weltweiten Erdölhandels läuft. Der Hafen ist damit Teil eines größeren Spiels – wirtschaftlich, militärisch, politisch.
Die Explosion, so tragisch sie ist, wirft daher auch einen Schatten auf die internationalen Verhandlungen rund um Irans Atom- und Raketenprogramme. Ist das ein unglücklicher Unfall oder ein Puzzlestück im globalen Machtspiel? Diese Frage wird vermutlich unbeantwortet bleiben – doch die Skepsis bleibt.
Ein Weckruf?
Ob für die iranische Regierung, die internationale Gemeinschaft oder die Hafenbetreiber weltweit – diese Katastrophe ist ein Weckruf. Sicherheitsvorschriften sind kein bürokratisches Beiwerk. Sie retten Leben. Sie verhindern Katastrophen. Doch solange politische Spannungen und wirtschaftliche Interessen die Oberhand haben, bleibt Sicherheit oft auf der Strecke.
Wie viele Explosionen braucht es noch, bis wirklich gehandelt wird?
Autor: M.A.B.
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