Die Welt heizt sich auf – und das nicht im übertragenen Sinn. Rekordtemperaturen häufen sich, Hitzewellen machen ganze Regionen für Menschen nahezu unbewohnbar. Und während der Planet glüht, zeigen sich längst nicht nur ökologische, sondern auch soziale Bruchlinien mit voller Wucht.
Ein Ort, der das in greifbarer Drastik offenbart, liegt inmitten des australischen Outbacks: Coober Pedy.
Coober Pedy? Noch nie gehört?
Dabei ist dieser kleine Ort in Südaustralien fast schon sinnbildlich für die Richtung, in die sich die Welt bewegt, wenn die Klimakrise weiter so Fahrt aufnimmt. Bekannt ist Coober Pedy eigentlich für seinen Opalabbau – und für seine unterirdischen Wohnungen, sogenannte „Dugouts“. Diese Höhlenwohnungen sind nicht etwa ein schräger architektonischer Trend, sondern eine Überlebensstrategie. Denn die Temperaturen in der Region steigen im Sommer regelmäßig über 45 Grad Celsius.
Da draußen kocht der Asphalt.
Aber während die weißen Australier:innen sich in diese kühlen Schutzräume zurückziehen, sitzen viele ihrer Aborigine-Nachbar:innen buchstäblich auf dem Trockenen – oben auf der Erde, unter Blechdächern, ohne Klimaanlage, ohne Schutz.
Klingt wie ein postapokalyptisches Setting aus einem Film, oder?
Ist aber Realität. Und ein düsteres Beispiel für das, was uns drohen könnte, wenn wir Klimagerechtigkeit nicht ernst nehmen.
Die Hitze, die Menschen vertreibt
Laut Schätzungen könnten bis 2050 hunderte Millionen Menschen weltweit gezwungen sein, ihre Heimat zu verlassen – einfach, weil sie dort nicht mehr leben können. Entweder ist es zu heiß, zu trocken, zu oft überflutet – oder eine Mischung aus allem.
Diese Entwicklungen betreffen nicht alle gleich. Denn wer Geld, Ressourcen und politischen Einfluss besitzt, findet Wege, sich zu schützen. Wer das alles nicht hat, steht buchstäblich im Regen – oder eben in der Gluthitze.
So wie viele der indigenen Einwohner:innen Coober Pedys.
Wenn das Klima zur sozialen Frage wird
Die Klimakrise ist kein rein ökologisches Problem. Sie ist ein Verstärker. Für Ungleichheit. Für Diskriminierung. Für alte Ungerechtigkeiten, die nun unter extremer Hitze noch sichtbarer werden.
Im Fall von Coober Pedy offenbart sich ein klassisches Machtgefälle. Die unterirdischen Wohnungen kosten Geld, sind teilweise im Besitz von Familien, die seit Jahrzehnten im Opalgeschäft sind. Die weißen Bewohner:innen, oft Nachfahren europäischer Siedler:innen, leben so in stabileren, kühleren Verhältnissen.
Die Aboriginal Communities hingegen – seit jeher marginalisiert und oft ökonomisch benachteiligt – bleiben buchstäblich außen vor.
Und wer einmal ohne Klimaanlage bei 47 Grad versucht hat zu schlafen, weiß: Das ist keine Frage des Komforts. Es ist eine Frage des Überlebens.
Ein Ort als Spiegel der Welt
Coober Pedy ist nur ein Beispiel, aber es bringt einen zentralen Punkt auf den Tisch: Die Klimakrise schafft neue Spaltungen – oder vertieft alte. Und diese Spaltungen verlaufen oft entlang rassistischer und kolonialer Linien.
Wie reagieren wir also? Und welche Lehren ziehen wir aus solchen Schauplätzen?
Technologische Lösungen – aber für wen?
Natürlich gibt es Anpassungsstrategien: neue Baumaterialien, kluge Stadtplanung, Begrünungskonzepte, Kühltechnologien. Aber auch hier gilt: Sie stehen nicht allen Menschen gleich zur Verfügung. Klimaanlagen? Funktionieren nur mit Strom, der bezahlt werden muss. Begrünung? Braucht Wasser, das in heißen Regionen knapp ist.
Es braucht dringend eine gerechtere Verteilung dieser Anpassungstechnologien. Und mehr noch: ein Bewusstsein dafür, dass jede politische Maßnahme zum Klimaschutz auch auf soziale Gerechtigkeit geprüft werden muss.
Hitze kennt keine Gnade – aber auch keine Fairness
Es ist naiv zu glauben, dass extreme Hitze einfach „alle betrifft“. Denn was hilft es einem, zu wissen, dass es auch dem wohlhabenden Banker in Sydney zu warm wird, wenn man selbst in einem Blechcontainer lebt?
Klimawandel trifft nicht „alle gleichermaßen“. Er trifft die, die am wenigsten dazu beigetragen haben, oft am härtesten. Die indigenen Völker Australiens, die ohnehin mit kolonialen Traumata und Ausgrenzung kämpfen, gehören weltweit zu den Ersten, die unter der ökologischen Katastrophe leiden.
Ein fatales Muster.
Ein Weckruf aus dem Staub
Die Geschichte von Coober Pedy sollte mehr sein als eine kuriose Notiz am Rande. Sie ist ein Warnsignal. Ein „So könnte es überall werden, wenn wir nicht handeln“.
Doch sie ist auch ein Appell. Denn noch ist Zeit, die Weichen anders zu stellen.
Können wir uns eine Zukunft vorstellen, in der nicht der Geldbeutel darüber entscheidet, wer cool bleibt – im wahrsten Sinne des Wortes?
Und wie viel Mut brauchen wir als Gesellschaft, um wirklich anzuerkennen, dass Klimagerechtigkeit mehr ist als Solarpanels auf Dächern?
Der Weg aus der Klimakrise führt nicht nur über Technologien oder Emissionsreduktionen – sondern über Gerechtigkeit. Über neue Formen des Zusammenlebens, des Teilens, des Zuhörens.
Und vielleicht beginnt das alles mit der Entscheidung, auch in unseren eigenen Städten, unseren eigenen Häusern, unsere eigenen Coober Pedys zu erkennen – und sie nicht zu ignorieren.
Andreas M. Brucker
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