Es gibt Momente, in denen man sich fragt, wie viel Zynismus eine Gesellschaft eigentlich ertragen kann. 2025 ist ein solcher Moment. Der französische Senat debattiert über eine Steuer, die man kaum als radikal bezeichnen kann – 2 Prozent. Zwei kümmerliche Prozent auf Vermögen jenseits der 100 Millionen Euro. Und doch empört sich eine privilegierte Elite, als ginge es um Enteignung oder Klassenkampf.
Zwei Prozent – das ist weniger als die jährliche Inflation. Es ist weniger als das, was jeder normale Arbeitnehmer täglich zahlt, wenn er aufsteht, arbeitet, konsumiert und lebt. Zwei Prozent – das ist der Tropfen, den ein Milliardär nicht einmal bemerken würde, während der Sozialstaat vor seinen Augen verdurstet.
Wie weit hat sich diese Gesellschaft vom Gedanken der Gerechtigkeit entfernt, wenn schon eine minimale Beteiligung der Reichsten am Gemeinwohl als „Schikane“ gilt? Wenn Lobbyisten und liberale Denkfabriken reflexhaft mit „Leistungsträger“ argumentieren – ein Begriff, der längst zur Hohnfloskel verkommen ist. Wer trägt hier eigentlich die Leistung? Der Millionenerbe in seiner Yacht vor Monaco? Oder die Altenpflegerin, die ihre Gesundheit ruiniert und mit 1.800 Euro brutto nach Hause geht?
Gabriel Zucman hat Recht: Das Steuerrecht wurde über Jahrzehnte ausgehöhlt, manipuliert, zurechtgebogen. Nicht von den Ärmsten. Sondern von den Klügsten, Reichsten, Einflussreichsten. Die, die sich eine Armee von Beratern leisten können, um Abgaben zu vermeiden. Die, die sich ihr Vermögen über Holdings, Stiftungen und Briefkastenfirmen immunisieren lassen. Die, die sich längst für unantastbar halten.
Und wenn dann einmal jemand sagt: Lasst uns wenigstens eine symbolische Gerechtigkeit herstellen, dann hallt der Aufschrei durch die Talkshows: „Das vertreibt die Investoren!“, „Das gefährdet das Unternehmertum!“, „Das ist Sozialneid!“ Nein. Es ist moralische Hygiene. Es ist der Versuch, das Gleichgewicht wiederzufinden in einer Welt, die längst aus den Fugen geraten ist.
2 Prozent – das ist nicht viel. Aber es ist ein Anfang. Es ist ein Zeichen, dass Demokratie sich wehrt gegen die schleichende Entmachtung des Staates durch private Kapitalmacht. Dass wir nicht alles hinnehmen. Dass wir noch wissen, was Solidarität bedeutet.
Wer in diesem Land hunderte Millionen besitzt, hat auch hunderttausendfach profitiert – von Infrastruktur, Rechtsstaat, Arbeitskräften, Frieden. Er schuldet der Gesellschaft etwas. Und wenn er das nicht einsieht, dann ist nicht die Steuer das Problem. Sondern seine Arroganz.
Ein Kommentar von P.T.
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