Tag & Nacht




Am 18. September strömten mehr als eine Million Menschen auf die Straßen Frankreichs. Arbeiter, Angestellte, Rentner, Studierende – vereint in ihrer Wut, erschöpft von jahrelanger Stagnation, steigenden Lebenshaltungskosten und einer politischen Elite, die mit ihren leeren Versprechungen längst das Vertrauen verspielt hat. Diese Demonstrationen sind kein Randphänomen. Sie sind ein Aufschrei, ein Donnerschlag, der die Machtzentren von Paris bis in die Vorstandsetagen der Konzerne erzittern lassen müsste.

Doch während Hunderttausende den Asphalt unter ihren Füßen erzittern ließen, blieb es an anderer Stelle gespenstisch still: Von den größten Vermögen des Landes war nichts zu hören. Kein Wort, kein Bekenntnis, kein Zeichen von Verantwortung. Dieselben Milliardäre, die in guten Zeiten ihre Profite in schwindelerregende Höhen schrauben, verkriechen sich jetzt in ihren Villen, als ginge sie das Schicksal des Landes nichts an.

Die Zeit der Ausreden ist vorbei

Frankreich steckt fest – wirtschaftlich, sozial, moralisch. Die Menschen wissen es, sie spüren es in ihren Rechnungen, ihren Kühlschränken, ihrer täglichen Unsicherheit. Und während Politiker in Talkshows Phrasen dreschen, bleibt die Frage offen: Wer krempelt die Ärmel hoch, um den Karren aus dem Dreck zu ziehen?

Millionen Bürgerinnen und Bürger haben am 18. September gezeigt, dass sie dazu bereit sind. Sie investieren Zeit, Energie und Hoffnung in den Protest. Doch dieser Einsatz verpufft, wenn die entscheidenden Kräfte im Hintergrund – das Kapital, die Großunternehmen, die Superreichen – sich ihrer Verantwortung verweigern.

Schweigen der Privilegierten

Wo sind die Stimmen der Milliardäre, die Frankreich ihr „Versprechen“ geben? Wo ist die Selbstverpflichtung der Konzerne, einen Teil der Krisenlast zu tragen? Frankreichs Reichste profitieren seit Jahrzehnten von einem System, das sie schützt, ihnen Steuerprivilegien sichert und ihre Gewinne maximiert. In der Stunde der Not aber ziehen sie sich zurück – als ginge es um eine ferne Krise in einem fremden Land.

Dieses Schweigen ist unerträglich. Es ist ein Verrat an der Nation.

Gemeinsam oder gar nicht

Das Land steht an einem Scheideweg. Entweder wir begreifen, dass die Herausforderungen – von der Inflation über den Umbau der Energieversorgung bis zur sozialen Ungleichheit – nur gemeinsam gelöst werden können. Oder wir lassen Frankreich weiter auseinanderfallen in zwei Welten: hier die Millionen, die schuften, kämpfen und protestieren – dort die Handvoll Vermögender, die schweigend zusieht.

Jetzt ist die Stunde der Solidarität. Nicht nur die Solidarität der Straße, sondern auch die der Salons, der Bankettsäle, der Vorstandsbüros. Die Reichen Frankreichs müssen endlich begreifen: Wer sich jetzt verweigert, verliert sein moralisches Recht, Teil dieser Gesellschaft zu sein.

Die Menschen haben ihre Stimme erhoben. Jetzt sind die Privilegierten am Zug.

Ein Kommentar von Andreas M. Brucker

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