Tag & Nacht




🎉 Welt-Emoji-Tag! Die Welt feiert – und ich frage mich: Wofür eigentlich?

Für ein paar bunte Piktogramme, die wir täglich im Dutzend verschicken, weil wir angeblich nicht mehr wissen, wie man sich anders ausdrückt? Für den Tränenlach-Smiley, der mittlerweile jede echte Pointe ersetzt? Für das Herz in allen Farben, das bald schon den ehrlichen Satz „Ich hab dich lieb“ vollständig verdrängt hat?

Ich weiß, das klingt altmodisch. Vielleicht sogar verbittert. Aber da draußen gehen echte Gefühle verloren – und wir klatschen Applaus für den digitalen Trostpreis.

Ja, Emojis sind praktisch. Schnell, eindeutig, universell. Ein Daumen hoch sagt: „Verstanden.“ Ein Zwinker-Smiley: „Nicht böse gemeint.“ Und das Feuer-Emoji? Das steht für alles von heißem Kaffee bis zu attraktiven Menschen. Effizient? Absolut. Menschlich? Eher nicht.

Denn was passiert, wenn wir Emotionen nur noch durch Icons ausdrücken? Wenn der Kloß im Hals ein trauriges Emoji-Gesicht wird – oder der Nervenzusammenbruch ein Clown-Emoji, gepostet mit einem müden „Same“? Wir lachen, wir schicken ein GIF – aber wir fühlen nichts mehr. Jedenfalls nicht miteinander.

Die wahre Tragödie beginnt da, wo Emojis echte Gespräche ersetzen. In Familiengruppen, in Partnerschaften, in Freundschaften. „❤️“ – das soll genügen. Aber was meint es? Liebe? Zustimmung? Oder schlicht: „Ich hab gerade keine Zeit für dich“?

Wir täuschen Nähe vor, während wir auf Abstand bleiben. Und niemand merkt’s, weil der Smiley ja lächelt.

Ich will nicht bestreiten, dass Emojis eine Brücke bauen können – zwischen Sprachen, zwischen Kulturen. Sie sind charmant, bunt, niedlich. Sie haben ihre Berechtigung, vor allem dort, wo Worte fehlen.

Aber sie sind kein Ersatz für Worte. Und erst recht kein Ersatz für echtes Interesse, für Zuhören, für ein echtes Gespräch.

Was mich dabei besonders irritiert: Wir haben eine Sprache – eine wunderschöne, reiche, differenzierte Sprache! Eine Sprache, die Poesie kann und Ironie, Zärtlichkeit und Zorn. Und trotzdem lassen wir sie verkommen, verkürzen sie zu Symbolen, die nur einen Bruchteil dessen transportieren, was wir sagen könnten.

Weil’s schneller geht.

Weil’s alle machen.

Weil’s bequem ist.

Doch Gefühle sind nicht bequem. Sie sind komplex, widersprüchlich, oft schwer auszudrücken. Genau deshalb verdienen sie mehr als einen gelben Kreis mit einem Grinsen.

Ist das eine kulturpessimistische Tirade? Vielleicht. Aber irgendjemand muss es ja sagen. Während alle feiern, frage ich mich: Was verlieren wir, wenn wir Emojis zum Maßstab unserer Kommunikation machen?

Vielleicht wäre heute – am Welt-Emoji-Tag – der richtige Moment, das Handy kurz zur Seite zu legen. Mal wieder richtig zu schreiben. Oder noch besser: zu reden. Von Mensch zu Mensch.

Ohne Filter. Ohne Smiley. Ohne Shortcut.

Autor: Andreas M. B.

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