Tag & Nacht




Wer an die französischen Alpen denkt, malt sich meist idyllische Landschaften aus – klare Flüsse, grüne Schluchten, majestätische Berge. Genau dieses Bild bieten die Gorges du Loup in den Alpes-Maritimes. Doch was viele Besucher nicht sehen (oder nicht sehen wollen): Unter dem glitzernden Wasser und den steilen Felswänden lauert ein wachsendes Problem – Müll.

In einer spektakulären Reinigungsaktion wurden jetzt in nur einer einzigen Vormittagsaktion rund 300 Kilogramm Abfall aus der Natur geborgen. Veranstaltet wurde das Ganze in Zusammenarbeit mit lokalen Canyoning-Guides – also genau den Leuten, die das Gelände wie ihre Westentasche kennen.

Ein Naturjuwel in Gefahr

Die Gorges du Loup sind nicht einfach nur schön. Sie sind Teil des europaweiten Schutzprogramms Natura 2000 und beherbergen empfindliche Arten wie den großen Hirschkäfer oder die seltene Große Hufeisennasen-Fledermaus. Eine einzigartige Mischung aus wilder Schönheit und verletzlicher Biodiversität.

Doch in den Sommermonaten wandelt sich das Naturparadies: Immer mehr Besucher, geführte Touren, aber auch unkontrollierte Freizeitaktivitäten nehmen zu – und mit ihnen der Müll. Es ist schon paradox, wie ausgerechnet Naturfreunde der Umwelt zusetzen können.

Mit bloßen Händen gegen Plastikflut

Die freiwilligen Helfer rückten mit Handschuhen, Müllsäcken und jeder Menge Energie an. Ihre Beute? Plastikflaschen, Verpackungen, alte Kleidung, rostige Dosen und sogar ein Autoreifen. Und das alles an einem Vormittag – kaum zu glauben, oder?

Was hier stattfindet, ist mehr als Aufräumen. Es ist ein Zeichen. Ein stiller Protest gegen Gleichgültigkeit und ein lauter Appell für mehr Verantwortungsbewusstsein.

Auch andernorts regt sich etwas

Die Aktion in den Gorges du Loup steht nicht allein. In Lyon etwa sammelten engagierte Bürger während des Festivals „Rhône et Saône“ ebenfalls 300 Kilo Müll – in nur zwei Stunden! Ein Lichtblick: Das Umweltbewusstsein scheint zu wachsen, nicht nur im Hinterland, sondern auch in den Städten.

Doch reicht das?

Initiativen wie diese sind ein Tropfen auf den heißen Stein – wenn auch ein wichtiger. Um unsere natürlichen Lebensräume wirklich zu schützen, braucht es langfristige Strategien. Strengere Regeln. Konsequente Kontrollen. Und vor allem: mehr Bildung.

Denn wer von klein auf lernt, dass Müll nicht in die Natur gehört, wird später nicht achtlos Zigarettenstummel in den Fluss werfen. Klingt simpel? Ist es auch – und trotzdem längst nicht selbstverständlich.

Zwischen Hoffnung und Realität

Natürlich sind Reinigungsaktionen wie die in den Gorges du Loup inspirierend. Sie zeigen, wie viel man mit Einsatz und Zusammenhalt erreichen kann. Doch sie führen uns auch schmerzhaft vor Augen, wie weit wir noch von echter Nachhaltigkeit entfernt sind.

Vielleicht hilft ja ein Perspektivwechsel: Wer eine Wasserflasche im Fluss entsorgt, hinterlässt nicht nur Müll – sondern tritt das Zuhause bedrohter Arten mit Füßen. Wer Dosen in den Wald wirft, sabotiert das Erbe künftiger Generationen.

Was also tun?

Jeder von uns kann etwas beitragen. Beim nächsten Ausflug einfach mal eine Mülltüte mitnehmen – oder besser noch: gar keinen Müll hinterlassen. Beim Canyoning lieber auf zertifizierte Anbieter setzen, die Umweltstandards einhalten. Und bei Gesprächen mit Freunden oder Kindern das Thema Umweltschutz nicht scheuen – sondern aktiv ansprechen.

Denn wie heißt es so schön? Viele kleine Leute, an vielen kleinen Orten, die viele kleine Dinge tun, können das Gesicht der Welt verändern.

Von Andreas M. Brucker

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