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Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat kurz vor Beginn der dritten UN-Ozeankonferenz in Nizza weitreichende Maßnahmen zum Schutz maritimer Ökosysteme angekündigt. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht das Grundschleppnetzfischen – eine besonders invasive Methode, bei der schwere Netze über den Meeresboden gezogen werden und dabei nicht nur Fisch gefangen, sondern ganze Lebensräume zerstört werden. Macron kündigte an, diese Praxis in bestimmten Zonen französischer Meeresschutzgebiete (aires marines protégées, AMP) künftig einschränken zu wollen.

Die Maßnahme ist Teil eines größeren Vorhabens: Der Anteil der streng geschützten Meeresgebiete Frankreichs soll bis Anfang 2026 auf 10 Prozent erhöht werden – vier Jahre früher als von der EU vorgesehen. Doch die Reaktionen auf diese Ankündigung sind geteilt. Während Macron den Vorstoß als Ausdruck ökologischer Verantwortung präsentiert, zweifeln Umweltorganisationen an der tatsächlichen Wirksamkeit.

Zwischen ökologischer Notwendigkeit und politischem Kalkül

Macron begründete sein Vorgehen mit der wissenschaftlich gut belegten Schädlichkeit des Grundschleppnetzfischens für die Biodiversität. Diese Praxis, so der Präsident, gefährde fragile Ökosysteme, die gerade in Schutzgebieten eigentlich besondere Aufmerksamkeit verdienten. Die angekündigte Einschränkung sei daher ein Schritt hin zu einer nachhaltigeren Meeresnutzung.

Zugleich bemühte sich Macron, die französischen Fischer nicht als Gegner, sondern als Partner darzustellen. In einer Rede betonte er, dass es „nicht darum gehe, Fischer zu stigmatisieren“, sondern mit ihnen gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Die Erstellung einer detaillierten Karte der betroffenen Zonen erfolgt deshalb unter Einbindung von Fischereiverbänden und wissenschaftlichen Institutionen. Umweltministerin Agnès Pannier-Runacher soll die Karte in den kommenden Wochen präsentieren.

Frankreichs ehrgeizige Schutzstrategie

Aktuell sind rund 2,6 Prozent der französischen Seegebiete unter strengem Schutz, wobei der Großteil dieser Zonen in Übersee liegt – etwa in Gebieten wie dem Pazifikarchipel Neukaledonien. Das Ziel, diesen Anteil auf 10 Prozent anzuheben, ist ambitioniert und folgt einer breiter angelegten EU-Strategie zum Schutz der Ozeane. Doch während Frankreich sich hier als Vorreiter inszeniert, sehen Kritiker das Vorhaben skeptisch.

Denn bisher wurden viele AMP lediglich auf dem Papier eingerichtet, ohne dass dort tatsächlich schädliche Eingriffe wie industrielle Fischerei untersagt wurden. Auch die neue Maßnahme könnte sich – so der Vorwurf – als bloßer Symbolakt entpuppen, wenn sie nur in bereits weitgehend ungenutzten oder ohnehin geschützten Gewässern greift.

Kritik der Umweltorganisationen

Umweltverbände wie Bloom, Greenpeace und Oceana reagierten mit Zurückhaltung auf Macrons Ankündigungen. Bloom warf der Regierung vor, den „Status quo“ lediglich neu zu verpacken. Die Ankündigung komme einer PR-Strategie gleich, ohne verbindliche rechtliche Folgen. Greenpeace forderte indes ein vollständiges Verbot des Grundschleppnetzfischens in mindestens 30 Prozent der AMP – also eine weitreichendere Maßnahme, als sie derzeit geplant ist.

Auch Oceana zeigte sich zwar offen für Macrons Vorstoß, wies aber darauf hin, dass einige der genannten Schutzgebiete – wie etwa Port-Cros im Mittelmeer – ohnehin schon von Grundschleppnetzfischerei ausgenommen seien. Der tatsächliche Mehrwert für die Biodiversität bleibe deshalb unklar.

Internationale Bühne, nationale Interessen

Macrons Vorstoß fällt nicht zufällig in die Woche der UN-Ozeankonferenz, die vom 9. bis 13. Juni 2025 in Nizza stattfindet. Die Konferenz, die im Zeichen des Kampfes gegen die Meeresverschmutzung und Überfischung steht, bietet Frankreich eine Bühne, um sich als ökologischer Vorreiter zu präsentieren. Auch geopolitisch spielt das Thema eine Rolle: Mit über 11 Millionen Quadratkilometern ist Frankreichs maritime Fläche eine der größten weltweit – ein strategisches Kapital, das zunehmend auch außenpolitische Bedeutung gewinnt.

Gleichzeitig geht es um wirtschaftliche Interessen. Die französische Fischereiindustrie, vor allem in Regionen wie der Bretagne oder im Ärmelkanal, beschäftigt Zehntausende Menschen. Grundschleppnetzfischerei macht dabei einen bedeutenden Teil des industriellen Fischfangs aus. Eine Einschränkung dieser Methode könnte erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen haben – was erklärt, warum Macron hier vorsichtig formuliert und auf Kooperation statt Konfrontation setzt.

Was bleibt von der Ankündigung?

Die kommenden Monate werden zeigen, ob Macrons Ankündigung mehr ist als eine symbolische Geste im Lichte der internationalen Aufmerksamkeit. Die Effektivität wird maßgeblich davon abhängen, wie restriktiv die neuen Vorschriften ausfallen und ob sie in ökologisch besonders sensiblen und zugleich wirtschaftlich genutzten Zonen zur Anwendung kommen.

Sollte Frankreich jedoch tatsächlich einen substanziellen Anteil seiner AMP für invasive Fischereimethoden sperren, könnte dies einen Präzedenzfall für andere EU-Staaten schaffen – insbesondere für Länder mit ähnlich ausgeprägten maritimen Interessen wie Spanien, Italien oder Portugal.

Ob Macron bereit ist, den notwendigen politischen Preis zu zahlen, bleibt abzuwarten.

Von Andreas Brucker

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