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Das französische Wirtschaftsministerium sorgte Mitte Juni für Aufsehen, als Minister Éric Lombard erklärte: „Merci à Donald Trump d’avoir réveillé l’Europe !“. Damit würzte er die Wahrnehmung der EU-Politik mit einer provokativen Wendung und löste eine strategisch-politische Debatte aus. Seine Aussage fiel im Kontext wachsender transatlantischer Handelskonflikte – die EU sei nun gefordert, ihre Interessen zu verteidigen und ihre Handlungsfähigkeit zu stärken.

Alarmstufe Rot: Neue US-Zölle als europäischer Warnschuss

Seit seiner Rückkehr ins Weiße Haus im Januar verfolgt Trump protektionistische Strategien. Importzölle von 25 Prozent oder mehr stehen im Raum – mit einer strategischen „Pause“ bis Mitte Juli, die Verhandlungsbereitschaft signalisieren soll. Éric Lombard bezeichnet es als ein transatlantisches Verhandlungsfenster, in dem Europa durch höhere Importe von US-Flüssiggas (LNG) die Zölle womöglich abwenden könnte.

Für die EU aber ist längst klar: Es geht nicht mehr nur um Handelsfragen, sondern um gestärkte Eigenständigkeit gegenüber einem verhandelnden, fordernden Partner.

Impuls zu mehr Wettbewerbsfähigkeit und Energiesouveränität

Lombard sieht in Trumps Politik „den Weckruf für mehr europäische Kohärenz“. Projekte wie industrielle Wettbewerbsfähigkeit, Verteidigungsbudget und Klimaschutz müßten jetzt beschleunigt werden. Dieser Weckruf mündet in konkrete Vorhaben:

  • Neue europäische Verteidigungsinitiative: Jenseits der Nato verpflichtet sich die EU zur Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf mindestens zwei Prozent des BIP.
  • Weimar-Plus-Diplomatie: Ein Forum führender europäischer Staaten soll die strategische Souveränität fördern und die außenpolitische Koordination stärken.
  • Energiepartnerschaften: Die verstärkte Diversifizierung gegenüber den USA sowie alternativen Quellen reduziert die Abhängigkeit von Russland und verleiht energiepolitische Handlungsspielräume.

Reaktionen innerhalb Europas: Ambivalente Zustimmung

Die Reaktionen auf Lombards Einschätzung sind geteilt. Befürworter argumentieren, Trump habe ein längst überfälliges Momentum freigesetzt; Europa müsse nun handeln und das ökonomisch-politische Gefüge neu justieren. Kritiker hingegen warnen, die EU dürfe der US-Logik nicht blind folgen. Die Mahnung lautet: Strategische Autonomie dürfe kein Schlagwort bleiben, sondern müsse mit konsistenten Mitteln unterlegt werden.

Eine strukturelle Antwort auf externe Aggressionen

Das Trump-Regime fungiert für viele Europäer als Katalysator für ein neues Selbstbewusstsein. Die EU erwägt entschiedene politische und wirtschaftliche Antworten, mit einem klaren Fokus auf Autonomie. Die Ziele sind dabei vielfältig:

  1. Ökonomische Resilienz: industrielle Wertschöpfungsketten stärken und Investitionen in Zukunftsbranchen lenken.
  2. Strategische Souveränität: die NATO ergänzen durch eigenständige europäische Verteidigungsstrukturen.
  3. Handelspolitische Verhandlungsfähigkeit: Energieimporte als diplomatische Hebel nutzen, aber auch gezielte Gegenmaßnahmen vorbereiten.

Zuwächse bei Verteidigungshaushalten und instrumentelle Energiepolitik sind Indizien, dass Lombards Lob nicht reiner Kommentar ist, sondern eine politisch gewollte Debatte und konkrete Reformprogramme in Gang gesetzt hat. Ob die EU jedoch dauerhaft gestärkt aus diesem „Weckruf“ hervorgeht, hängt entscheidend von interner Geschlossenheit und konsistenter Umsetzung ab.

Autor: P. Tiko

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