Tag & Nacht




Andriy Portnov war vieles – politischer Strippenzieher, Vertrauter eines gestürzten Präsidenten, Persona non grata in weiten Teilen der Ukraine. Doch dass er sein Leben in einer wohlhabenden Madrider Vorstadt verliert, durch mehrere Kugeln in Rücken und Kopf, während er seine Kinder zur Schule bringt? Das klingt wie aus einem Spionagethriller – ist aber bittere Realität.

Blutiger Morgen in Pozuelo

Es ist 9:15 Uhr am 21. Mai 2025. Die noble Siedlung Pozuelo de Alarcón, ein Vorort Madrids, erwacht langsam zum Leben. Luxusvillen, Diplomaten, internationale Schulen – ein sicherer Hafen für Reiche und Einflussreiche. Doch an diesem Morgen zerreißen Schüsse die friedliche Fassade. Mehrere Männer nähern sich einem Mann mittleren Alters, schießen ohne Vorwarnung – gezielt und tödlich. Das Opfer stirbt noch vor Ort. Sein Name: Andriy Portnov, 51 Jahre alt.

Wer war dieser Mann, der derart ins Fadenkreuz geriet?

Portnov war Vizechef der Präsidialverwaltung unter dem prorussischen Präsidenten Viktor Janukowytsch. Eine zentrale Figur während der Euromaidan-Proteste 2014 – verantwortlich für Gesetzesverschärfungen, die als autoritär galten. Als Janukowytsch stürzte, floh Portnov nach Russland, später nach Österreich. 2019 kehrte er kurzzeitig in die Ukraine zurück, doch nach dem russischen Überfall 2022 verließ er das Land erneut – diesmal Richtung Spanien.

Ein unstetes Leben im Exil, getrieben von politischen Umbrüchen und persönlichen Risiken. Portnov galt als Symbolfigur der alten prorussischen Elite in Kiew. Kein Wunder, dass er auf der Sanktionsliste der USA landete – Korruption und Justizmanipulation wurden ihm vorgeworfen. Ob berechtigt oder politisch motiviert – darüber streiten sich Beobachter bis heute.

Ein Mord mit vielen Fragezeichen

Die Ermittler in Madrid stehen vor einem Rätsel. Es gibt Überwachungskameras, Augenzeugen, eine auffällige Flucht durch ein nahegelegenes Waldstück. Doch bisher keine Festnahmen. War es ein Auftragsmord? Ein geopolitisch motivierter Akt? Oder doch ein persönliches Rachemotiv?

In der spanischen Polizei will man nichts ausschließen. Zu viele internationale Interessen, zu viele Gegner und alte Rechnungen, die Portnov hinterlassen hat. Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren, unterstützt von Antiterror-Einheiten – ein klares Signal: Hier geht es um mehr als einen einfachen Mord.

Ein gefährlicher Präzedenzfall

Der Fall Portnov reiht sich ein in eine beunruhigende Serie: 2023 wurde ein russischer Pilot, der sich in Spanien abgesetzt hatte, in Alicante ermordet. Weitere mysteriöse Todesfälle politisch belasteter Exilanten folgten. Europa scheint zur Bühne eines neuen Kalten Kriegs zu werden – nur dass heute weniger Diplomaten als Geheimdienste agieren.

Was bedeutet das für Europa?

Nicht nur Sicherheitsbehörden sollten wachsam sein – auch Politiker, Aktivisten, Exilanten und Journalisten sind potenziell gefährdet. Wenn politische Morde zum neuen Normal in den Vorstädten von Paris, Berlin oder Madrid werden, steht weit mehr auf dem Spiel als nationale Sicherheit. Dann geht es um den Schutz demokratischer Werte – mitten in Europa.

Ein Weckruf für die westliche Welt

Wie sicher ist ein neues Leben in Spanien, wenn dich die Vergangenheit einholt?

Portnovs Tod ist ein Menetekel. Er erinnert uns daran, dass politische Konflikte nicht an Grenzen Halt machen – und dass auch im Exil niemand wirklich sicher ist, wenn alte Feinde noch aktiv sind. Die europäischen Sicherheitsdienste müssen neu denken, enger kooperieren – und handeln, bevor aus einem Einzelfall ein Muster wird.

Von C. Hatty

Neues E-Book bei Nachrichten.fr







Du möchtest immer die neuesten Nachrichten aus Frankreich?
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!