Ein kleines südfranzösisches Städtchen, Puget-sur-Argens. Der 31. Mai 2025 hätte ein friedlicher Frühsommertag sein können – stattdessen wurde er zum Schauplatz eines kaltblütigen Verbrechens, das nicht nur Frankreich, sondern auch die internationale Gemeinschaft erschüttert.
Ein Mord, bei dem die Tatmotive tiefer reichen als persönliche Feindschaft – ein rassistisch motivierter Angriff mit terroristischem Hintergrund.
Ein Täter, eine Botschaft des Hasses
Der Franzose Christophe B., 53 Jahre alt, tötete seinen tunesischen Nachbarn Hichem M. mit mehreren Schüssen. Doch damit nicht genug: Auch ein weiterer Mann, türkischer Herkunft, wurde verletzt. Der mutmaßliche Täter war kein Unbekannter in seiner Nachbarschaft, doch seine Tat kam wie ein Schock.
Denn was ihn von anderen Mördern unterscheidet, ist das, was nach den Schüssen geschah.
Er stellte Videos ins Netz – unverhohlen rassistisch, gewalttätig, aufhetzend. Vor und nach der Tat. Die Aufnahmen enthielten direkte Aufrufe zur Gewalt gegen Menschen mit ausländischen Wurzeln. Als wollte er nicht nur töten, sondern ein Fanal setzen.
Ein Fall für die Anti-Terror-Ermittler
Das Ausmaß der Tat rief schnell den französischen Staat auf den Plan. Der nationale Anti-Terror-Staatsanwalt übernahm die Ermittlungen – ein klares Zeichen dafür, wie ernst die Behörden die Sache nehmen. In Christophe B.s Auto entdeckte man ein kleines Arsenal an Waffen. Kein impulsiver Ausbruch also, sondern offenbar ein lange vorbereiteter Plan.
Innenminister Bruno Retailleau sprach von einem „rassistischen und geplanten Verbrechen“. Und von einem Gift, das unsere Gesellschaft unterwandert – dem Rassismus.
Die Gesellschaft reagiert mit Entsetzen
In ganz Frankreich brach Entsetzen aus. Politiker, Organisationen, Bürger – sie alle suchten Worte für das Unfassbare. Die Menschen legten Blumen nieder, entzündeten Kerzen, hielten Mahnwachen ab. In Tunesien schlug der Fall besonders hohe Wellen.
Die tunesische Regierung forderte Frankreich auf, tunesische Staatsbürger besser zu schützen. Die Betroffenheit ist tief – auch, weil Hichem M. laut Nachbarn als freundlich, hilfsbereit und bestens integriert galt.
SOS Racisme nannte das Verbrechen ein „Ergebnis gezielter Hetze“. Eine Hetze, die sich nicht nur auf Worte beschränkt – sondern immer öfter in blutige Taten mündet.
Wenn der Hass salonfähig wird
Was treibt einen Menschen dazu, seinen Nachbarn zu erschießen und dann stolz ein Hass-Manifest zu verbreiten? Die Antwort liegt nicht allein in der Psyche des Täters. Sie liegt auch in einem gesellschaftlichen Klima, das Rassismus zunehmend duldet – ja, teilweise sogar schürt.
In sozialen Netzwerken kursieren täglich Hassbotschaften. Einige Nutzer wähnen sich im Krieg gegen eine vermeintlich überfremdete Gesellschaft. Wer hetzt, bekommt Applaus – und Likes. Und man fragt sich: Wer stoppt diese Spirale?
Ein Signal – und eine Mahnung
Der Mord in Puget-sur-Argens ist nicht nur ein Verbrechen. Er ist ein Warnruf. Denn er zeigt, wie tief der Rassismus in manche Milieus eingesickert ist. Und wie leicht er in Gewalt umschlagen kann, wenn niemand rechtzeitig die Notbremse zieht.
Es geht um mehr als um ein einzelnes Verbrechen. Es geht um das Grundverständnis unseres Zusammenlebens. Wie schützen wir unsere Werte, unsere Mitmenschen, unsere Gesellschaft?
Was nun?
Der Mord hat eine neue Debatte entfacht – über Rassismus und Populismus, über Radikalisierung, über Verantwortung. Schulen, Medien, Politik – alle sind gefragt, mit klarer Kante gegen Hetze und Ausgrenzung vorzugehen.
Gleichzeitig müssen präventive Maßnahmen gestärkt werden: Früherkennung von Radikalisierung, Schutz potenzieller Opfer, konsequente Strafverfolgung von Hassreden.
Denn: Niemand darf sich in einem Land, das sich auf Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit beruft, wegen seiner Herkunft fürchten müssen.
Und die wichtigste Frage bleibt: Was sind wir bereit zu tun, um so etwas in Zukunft zu verhindern?
Von Andreas M. Brucker
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