Die französische Justiz sieht sich mit einer neuen Eskalation konfrontiert. Nach dem Prozess um die Assistenten von EU-Abgeordneten des Rassemblement National (RN) sind auf einer rechtsextremen Website Morddrohungen gegen drei Magistrate aufgetaucht. Der Pariser Staatsanwalt hat eine Untersuchung eingeleitet. Was steckt dahinter – und welche Konsequenzen drohen?
Gezielte Hetze gegen die Justiz
Die Drohungen wurden in der Kommentarspalte von zwei Artikeln auf der umstrittenen Seite Riposte Laïque veröffentlicht – ein Portal, das bereits mehrfach wegen Hassrede in der Kritik stand. Die entsprechenden Beiträge wurden zwar gelöscht, doch der Sender franceinfo konnte sie rekonstruieren.
Besonders brisant: Die erste Veröffentlichung stammt vom 6. Oktober 2024, nur eine Woche nach Prozessbeginn. Der Artikel bezeichnete das Verfahren als „stalinistisch“ und als Versuch, den RN zu „ruinieren“. Begleitet wurde er von einem Foto der vorsitzenden Richterin. In den Kommentaren darunter fanden sich erschreckende Zeilen: „Sie verdient eine 9-Millimeter-Kugel in den Kopf“, schrieb ein Nutzer. Ein anderer pflichtete ihm bei: „Sie muss so schnell wie möglich eliminiert werden.“
Doch damit nicht genug. Auch die beiden Staatsanwälte des Prozesses wurden Ziel von Hassbotschaften. Nach einem Artikel vom 14. November, in dem ihre Namen genannt wurden, folgten weitere Drohungen – inklusive der Veröffentlichung ihrer E-Mail-Adressen. Ein Kommentator schrieb: „Man muss sie finden, auf Sicht schießen und ihre gemütlichen Nester abfackeln.“ Ein anderer forderte die „Vernichtung aller Magistrate und rötlich schimmernden Verbrecher“, wobei er auch Journalisten, Politiker und Künstler einschloss.
Der Hintergrund: Ein heikler Prozess
Der Prozess selbst war politisch höchst aufgeladen. Die Anklage wirft Marine Le Pen und anderen Mitgliedern des RN vor, EU-Parlamentsgelder missbräuchlich für Parteiangestellte verwendet zu haben. Die Staatsanwaltschaft forderte fünf Jahre Haft, davon zwei Jahre ohne Bewährung, sowie fünf Jahre Ineligibilität für Le Pen. Besonders pikant: Die Ineligibilität soll laut Forderung des Staatsanwalts sofort in Kraft treten – selbst wenn ein Berufungsverfahren folgt.
Für den RN und seine Anhänger ist das ein Angriff auf die Parteispitze. Schon während des Prozesses war die Rhetorik aufgeheizt, doch die jüngsten Morddrohungen überschreiten eine gefährliche Grenze.
Radikalisierung im Netz – ein wachsendes Problem
Dass derartige Kommentare ausgerechnet auf Riposte Laïque auftauchen, überrascht Kenner der Szene kaum. Die Plattform ist für hetzerische Inhalte bekannt und wurde bereits wegen Aufrufen zur Gewalt und rassistischer Hetze verurteilt. Dennoch bleiben extremistische Äußerungen im Netz oft lange sichtbar, bevor sie gelöscht werden.
Die zunehmende Verrohung der Sprache, insbesondere in rechtsextremen Kreisen, ist ein ernsthaftes Problem. Wer online zur Gewalt aufruft, bleibt oft anonym – doch die Konsequenzen in der realen Welt können fatal sein. Drohungen gegen Richter und Staatsanwälte sind ein direkter Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz.
Welche Konsequenzen drohen?
Die Pariser Staatsanwaltschaft hat nun eine Untersuchung eingeleitet. Ziel ist es, die Urheber der Drohungen zu identifizieren und zur Rechenschaft zu ziehen. Drohungen gegen Amtsträger können in Frankreich mit hohen Strafen geahndet werden – insbesondere wenn es sich um Mordaufrufe handelt.
Doch die Frage bleibt: Wird es gelingen, die Verantwortlichen ausfindig zu machen? In der Vergangenheit verliefen ähnliche Ermittlungen nicht selten im Sande. Viele Täter nutzen gefälschte Identitäten oder anonymisierte Server, um ihre Spur zu verwischen.
Ein Angriff auf die Demokratie
Diese Morddrohungen sind weit mehr als bloße Hasskommentare. Sie stellen einen direkten Angriff auf die Demokratie und die rechtsstaatliche Ordnung dar. Eine Justiz, die unter Druck gesetzt wird, kann nicht unabhängig arbeiten – und genau das scheinen einige zu beabsichtigen.
Frankreich steht hier vor einer ernsthaften Herausforderung. Der Fall zeigt erneut, wie dringend der Staat gegen digitale Hetze vorgehen muss. Denn wenn Richter um ihr Leben fürchten müssen, nur weil sie ihren Job machen, ist eine Grenze überschritten, die nicht toleriert werden darf.
Artikel: C. Hatty
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