Tag & Nacht




Am frühen Abend des 7. Mai 2025 fiel im Vatikan ein symbolträchtiger Riegel ins Schloss: Punkt 18 Uhr wurden die Türen der Sixtinischen Kapelle geschlossen. Dahinter – 133 Kardinäle aus 70 Ländern, eingeschlossen bis zur Wahl des nächsten Papstes. Das Konklave, streng abgeschirmt von der Außenwelt, hat begonnen. Eine Zeremonie voller Geschichte, Strenge und Hoffnung auf die Zukunft.

Die Welt schaut hin.

Ein Ritus zwischen Tradition und Moderne

Schon am Vormittag begann der Tag im Zeichen des Übergangs. In der Basilika Sankt Peter versammelten sich die Kardinäle zur Messe, bevor sie sich am Nachmittag zur Kapelle Pauline begaben – zur stillen Andacht und Sammlung. Was dann folgte, kennt man nur aus Fernsehbildern: In feierlicher Prozession zogen sie in die Sixtinische Kapelle ein, den Blick ernst, das Ritual einstudiert.

Dort heißt es: Schweigen. Kein Smartphone, kein Internet, nicht einmal ein Funksignal darf den Raum durchdringen. Man könnte sagen: Die Zeit bleibt stehen – während draußen die Welt weiterrauscht.

Der erste Wahlgang: Testlauf oder Überraschung?

Noch am selben Abend erfolgt die erste Abstimmung. Ein echter Paukenschlag wird nicht erwartet – dieser Durchgang gilt traditionell eher als Orientierung. Das bedeutet: Die 89 Stimmen, die für eine Wahl nötig sind, dürften frühestens im Laufe des Donnerstags für den Auserwählten zusammenkommen.

Falls nicht, gibt es bis zu vier weitere Versuche pro Tag. Jede Wahl endet mit einem simplen, aber weltweit beachteten Zeichen: schwarze Rauchwolke – kein Ergebnis. Weiße Rauchwolke – wir haben einen Papst.

Ein Konklave wie nie zuvor

Nie war ein Konklave internationaler. 70 Länder, 133 Wahlberechtigte – eine bunte Weltkarte der katholischen Kirche. Und ein Fingerzeig auf die Reformpolitik von Papst Franziskus, der zu Lebzeiten rund 81 Prozent der heutigen Wahlkardinäle ernannt hat. Diese Mehrheit könnte darüber entscheiden, ob sein Nachfolger seine Linie fortführt oder ganz neue Akzente setzt.

Was ebenfalls auffällt: Der Blick der Kirche richtet sich zunehmend auf die sogenannten „Ränder“ – Länder und Regionen, die früher kaum repräsentiert waren, heute aber lautstark mitreden.

Die Favoriten: Bekannt, doch nicht berechenbar

Die Liste der möglichen Kandidaten – die sogenannten papabili – ist so offen wie selten. Als Favoriten jedoch gelten:

  • Pietro Parolin, Italiener, aktuell Kardinalstaatssekretär. Er gilt als erfahrener Diplomat – leise im Ton, aber einflussreich im Hintergrund.
  • Luis Antonio Tagle, Philippiner, zuständig für Evangelisierung. Charismatisch, populär, ein Gesicht des Globalen Südens.
  • Jean-Marc Aveline, Erzbischof von Marseille – ein Theologe mit sozialem Profil, der die Nähe zu den Menschen sucht.
  • Robert Sarah, aus Guinea, konservativ geprägt und bekannt für seine klare, manchmal unbequeme Haltung.

Wer wird das Rennen machen? Oder kommt am Ende jemand ganz anderes, den bisher kaum jemand auf dem Zettel hatte? Es wäre nicht das erste Mal – und sicherlich nicht das letzte.

Die Kirche am Scheideweg

Wer immer der nächste Papst wird, eines steht fest: Die Herausforderungen sind immens. Die Kirche muss ihr zerbrechliches Gleichgewicht zwischen Tradition und Erneuerung bewahren, Skandale aufarbeiten, Reformen umsetzen – und dabei nicht ihre Glaubwürdigkeit verlieren.

Dazu kommen globale Fragen: Migration, Umwelt, soziale Ungleichheit – alles Themen, bei denen das Oberhaupt der katholischen Kirche eine starke Stimme sein kann. Oder muss.

Was bringt der weiße Rauch?

In diesen Tagen geht es um mehr als eine Personalie. Es geht um Orientierung, Vertrauen, vielleicht sogar um ein neues Kapitel. Denn in einer Zeit, in der alte Gewissheiten bröckeln, sehnen sich viele nach einer moralischen Instanz, die Orientierung bietet.

Die Wahl in der Sixtinischen Kapelle mag hinter dicken Mauern stattfinden – doch ihre Wirkung strahlt weit darüber hinaus. Es ist ein Moment, der Geschichte schreiben kann.

Fragt sich nur: Welche?

Von C. Hatty

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